500 Teilnehmer bei Querdenker-Demo in Bregenz

Vorarlberg / 23.08.2020 • 18:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Buntes Publikum bei den Protesten der Initiative "Querdenken". <span class="copyright">Fotos: VN/Sams</span>
Buntes Publikum bei den Protesten der Initiative "Querdenken". Fotos: VN/Sams

Kritiker der Coronamaßnahmen versammelten sich in den Seeanlagen.

Bregenz Auf den ersten Blick wirkt es wie eine fröhliche Hippieparty: Regenbogenfarbene Peace-Flaggen werden geschwungen, „Leben-Liebe-Lachen“-Plakate werden in die Höhe gehalten, Musik erklingt. Es sind auch Österreich-Flaggen mit Adlern und Schweizer Flaggen zu sehen. Die Teilnehmer der Demonstration sind sehr unterschiedlich, von Jung bis Alt sind alle Altersklassen vertreten, auch ihre Anschauungen sind heterogen. Einige tragen Shirts mit der Aufschrift „Gib Gates keine Chance“ oder „Weltfrieden“. Auch Anhänger der Verschwörungstheorie QAnon sind dabei.

200 Menschen zählte die Polizei zu Beginn der Veranstaltung, die unter dem Motto „Fest für Freiheit und Frieden“ von „Querdenken 5574 Bregenz“ initiiert wurde, um gegen die Coronamaßnahmen der Bundesregierung zu demonstrieren. Am Nachmittag gesellten sich laut Polizei 300 weitere Teilnehmer dazu. Die Verantwortlichen betonen mehrfach, sie seien weder links noch rechts, sie sehen sich als „parteilose, private Initiative für Menschenrechte, Grundrechte, Freiheit und Demokratie“. Sie rechneten im Vorfeld mit 3500 Besuchern aus Vorarlberg, der Schweiz, Liechtenstein und Deutschland.

In den Reden auf der Bühne beim Eispavillon wird betont: Es braucht keine Impfung, keine Masken. „Die Maßnahmen der Bundesregierung haben unsere Demokratie ausgehebelt und ethische Grundprinzipien außer Kraft gesetzt“, sagt Mitinitiator Armin Elbs. Der Demonstrationszug führte am Mittag über die Seepromenade zum Leuchtturm und zurück zum Platz vor dem Festspielhaus, wo weitere Reden abgehalten wurden.

 „Wir sind keine Corona-Leugner, wir wissen, es gibt diese Krankheit. Aber das Heilmittel darf nicht schlimmer sein als die Krankheit selbst. Vor allem die Kinder wurden traumatisiert. Das alles wird mit Seuchenschutz gerechtfertigt“, erzählt eine Teilnehmerin aus Deutschland, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will.

Mitinitiator Armin Elbs.
Mitinitiator Armin Elbs.

Anders sieht das Samuel Eckert, ein bekanntes Gesicht des selbst ernannten „Corona-Widerstandes“, der auf der Bühne vor dem Festspielhaus als Redner geladen war. Der in der Schweiz wohnhafte Deutsche hat 90.500 Abonnenten auf seinem coronakritischen Youtube-Kanal. Eckerts Botschaft: Die Menschen werden belogen. Er will mit „Wahrheit und Liebe“ gegen die Informationen der Behörden, die „vorsätzlicher Betrug“ seien, ankämpfen. Überhaupt seien Viren einfach eine Theorie, für die Existenz des Coronavirus gebe es keine Beweise.

3 Fragen, 3 Antworten zu den Coronademos: Soziologe Dr. Simon Burtscher-Mathis

Simon Burtscher-Mathis: "In Demokratien muss man Extrempositionen aushalten."
Simon Burtscher-Mathis: "In Demokratien muss man Extrempositionen aushalten."
  • 1. Was treibt diese Menschen aus soziologischer Sicht an, gegen die Coronamaßnahmen auf die Straße zu gehen?

Burtscher-Mathis Verschiedene Bevölkerungsgruppen bewerten die Maßnahmen unterschiedlich, weil sie unterschiedlich davon betroffen sind. Für viele sind sie ein Schutz für ihre Gesundheit, für andere steht die Einschränkung ihrer Freiheitsrechte im Vordergrund. Diese Demonstrationen zeigen auf, dass die Maßnahmen neben den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auch soziale Folgen für das Zusammenleben haben. Und offensichtlich sind viele Menschen mit dem Umgang mit den sozialen Folgen nicht zufrieden. In der ersten Phase stand die unmittelbare Bedrohung und deren Abwehr im Zentrum. Im Verlauf der Krise werden die Folgekosten der Maßnahmen deutlicher und damit nun eben auch die Kritiker stärker hörbar. Demonstrationen sind in Demokratien eine Möglichkeit, einen Interessensausgleich einzufordern.

  • 2. Die Demos stehen unter dem Motto „Parteilose, private Initiative für Menschenrechte, Grundrechte, Freiheit und Demokratie“: Weshalb demonstrieren Menschen unterschiedlichster, teilweise sogar gegensätzlicher politischer Ausrichtung gemeinsam?

Burtscher-Mathis Wenn es ein gemeinsames Bedürfnis gibt, rücken die Unterschiede zwischen den Menschen in den Hintergrund. Das verbindet vorübergehend Menschen mit unterschiedlichsten Einstellungen. Das ist auch in jedem Verein oder anderen Interessensgemeinschaften der Fall und gilt auch für andere Themen, wie zum Beispiel den Klimawandel. Darin liegt auch ein Potenzial für die Gestaltung der Zukunft unserer Gesellschaft. Es ist in unser aller Interesse, die gemeinsamen Ziele, wie zum Beispiel den Klimasschutz, in den Vordergrund zu rücken, anstatt die Unterschiede zwischen uns zu betonen.

  • 3. Auch QAnon-Anhänger und andere Verschwörungstheoretiker waren in Bregenz bei den letzten Demos dabei. Sind Krisen allgemein ein guter Boden für Verschwörungstheorien?

Burtscher-Mathis Krisenzeiten waren schon immer besonders geeignet für Verschwörungstheorien, weil Menschen in der Verunsicherung nach Orientierung und Erklärung suchen. Unter der Vielzahl an Meinungen, die eine liberale Demokratie auszeichnen, gibt es auch Extrempositionen. In Demokratien muss man Extrempositionen aushalten. Wir dürfen uns davon nicht aus der Ruhe bringen lassen und nicht hysterisch reagieren, sondern mit Fakten. Es ist die Aufgabe von Experten und Politikern, der Bevölkerung mittels verständlich präsentierter Fakten Sicherheit zu geben. Gleichzeitig liegt es in der Eigenverantwortung der Bevölkerung, sich mit den Fakten auseinanderzusetzen. Dieses Wechselspiel ist eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie.