Armin Fidler im Webinar: “Wir müssen mit einem Restrisiko leben”

Vorarlberg / 11.09.2020 • 21:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit

Der Public-Health-Experte stellte sich den Fragen der VN-Leserschaft.

Schwarzach Gesundheitsexperte Armin Fidler, der auch in den Krisenstäben des Landes und in der Corona-Ampel-Kommission des Bundes sitzt, nahm am digitalen VN-Stammtisch Platz und sprach über die aktuelle Situation im Land, warum grün bei der Corona-Ampel nicht gleich freie Fahrt bedeutet und worauf sich Eltern beim Schulstart einstellen sollten.

Wie sieht die Lage in Vorarlberg aus?

Fidler Vorarlberg ist nicht isoliert vom Rest von Europa. Es ist nicht eine österreichische, sondern eine europäische Entwicklung. Wir haben erwartet, dass es im Herbst wieder aufwärts geht mit den Infektionen.  Wir hätten das ein paar Wochen später erwartet, dass die Fälle ansteigen. Die Situation ist nicht mehr vergleichbar mit der Situation, wie wir sie im Frühjahr hatten. Wir haben viel gelernt, wir sind besser vorbereitet. Wir haben die Pandemie gut im Griff. Wir können die Fälle, die es gibt, identifizieren und nachverfolgen und die Kontakte herausfinden und Betroffene isolieren und damit weitere Infektionen verhindern. Ich glaube, dass es bei der Farbe grün der Corona-Ampel Missverständnisse gibt. Grün bedeutet niedriges Risiko, nicht kein Risiko. Da ist die Farbe vielleicht etwas unglücklich gewählt. Wenn wir nichts tun, kann es sein, dass wir auch hier in Vorarlberg die Ampel umschalten müssen.

Warum gibt es österreichweit Maßnahmen wie die Maskenpflicht in geschlossenen Räumen, auch wenn sich die Ampelfarbe österreichweit nicht ändert?

Wir haben die Situation, dass die Ampel früher fertiggeworden ist, als das dazugehörige Gesetz. Deswegen brauchen wir mmer noch bundesweite Vorgaben, bis die Gesetze in Kraft sind. Wir müssen hier auf die Mitarbeit der Bevölkerung zählen.

Die Schulbusse sind überfüllt. Wie hoch ist das Infektionsrisiko?

Fidler Natürlich ist das Risiko in schlecht belüfteten Räumen mit vielen Menschen höher. Ich würde dringend empfehlen, den Bus trotzdem zu lüften, wenn möglich. Man kann die Personenzahl im Bus limitieren. Und natürlich ist es empfehlenswert, dass man in solchen Situationen Mund-Nasen-Schutz trägt.

Wie kann der Schulbetrieb sicher aussehen?  Wie sieht er in zwei, drei Wochen aus?

Fidler Ganz genau kann das noch niemand voraussagen. Wir haben es mit einer Pandemie zu tun, die erst acht Monate alt ist. Es gibt von anderen Ländern Indikationen dafür, dass der Schulbetrieb die Pandemie nicht stärker vorantreibt, es gibt auf der anderen Seite aber auch Länder, wo Schulen wegen auftretender Fälle geschlossen werden mussten. Ich glaube, wir müssen uns vortasten. Die Frage ist: Was ist die Alternative? Wir müssen mit einem Restrisiko leben. Zum Glück sind Kinder im Schulalter klinisch kaum betroffen. Wir sind aber im Gegensatz zum Frühjahr viel besser vorbereitet und kennen den Erreger viel besser, haben in Ansätzen eine Therapie und ausreichend Kapazitäten im Gesundheitssystem. Wir schaffen es, sofort zu reagieren, wenn es Fälle gibt.

Was müssen Eltern konkret unternehmen, wenn ein Kind 38 Grad Fieber hat?

Fidler Die Durchschnittstemperatur ist 37 Grad. Fieber beginnt mit 38 Grad nach Lehrbuch. Auch unter normalen Bedingungen sollte man ein Kind dann ohnehin nicht in die Schule schicken. Das bedeutet aber nicht, dass man jedes Kind testen muss, wenn es Fieber hat. Insgesamt sind wir gut aufgestellt und die Testkapazitäten werden für Vorarlberg noch erhöht. Wir wissen natürlich, dass im Herbst die Grippe dazukommt. Deshalb der dringende Appell an alle, die noch einen Impfstoff ergattern können, sich impfen zu lassen.

Die Bundesregierung hat sich mit Ankündigungen eines Covid-Impfstoffes übertroffen. Wann können wir mit einem rechnen?

Es gibt derzeit zwei Impfstoffe in China und Russland. Ich würde mich von diesen nicht impfen lassen, da man hier wichtige Phasen der Testung übersprungen hat. Ein Impfstoff muss nicht nur sicher, sondern auch effektiv sein, dafür braucht es das Absolvieren aller Testphasen. Wenn alles gut geht, könnte ein Impfstoff zum Beginn nächsten Jahres auf den Markt kommen.

Viele Leserzuschriften behandeln die Impfung, aber auch die PCR-Tests. Wie zuverlässig sind diese?

Das ist im Prinzip der Goldstandard, um eine Infektion nachzuweisen. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, wo es diesen Test nicht gab. Es ist sehr schwierig und zeitaufwendig, Viren selbst nachzuweisen. Es gibt keinen Test, der hundertprozentig ist, aber dieser Test ist sehr zuverlässig und die beste Technologie, die wir haben.

Macht es Sinn, im Freien eine Maske zu tragen?

In Italien wird die Maske diszipliniert überall getragen. Beim Kaffee im Garten mit einem Freund und zwei Meter Abstand braucht es keine Maske.