“Meli ist mein erstes und mein letztes Mädel”

Vorarlberg / 20.09.2020 • 12:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
"Meli ist mein erstes und mein letztes Mädel"
Ernst mit Meli, seiner Lebensliebe.

Ernst pflegt seine demenzkranke Frau Melitta, weil er sie von Herzen liebt.

Dornbirn Ernst (84) schnürt Melitta (83) die Turnschuhe und zieht ihr eine Jacke über. Dann nimmt er ihre Hand fest in seine und geht mit ihr spazieren. „Wenn man sie an der Hand nimmt, geht sie mit“, ist Ernst froh, dass er seine Frau noch täglich zum Spazierengehen motivieren kann. Ohne diese Spaziergänge, so vermutet er, säße Melitta längst im Rollstuhl.

Meli, wie Ernst seine Frau liebevoll nennt, erkrankte vor fünf Jahren an Demenz. „Auf einmal ließ ihr Gedächtnis nach“, erzählt er. „Bald konnte ich mit ihr kein normales Gespräch mehr führen.“ Anfangs bewältigte Meli noch die Hausarbeit. „Heute mache alles ich. Sie kann nicht einmal mehr abwaschen.“ Ihre Hilfsbedürftigkeit ist mittlerweile so groß, dass Ernst sie nicht mehr alleinlassen kann.

Gemeinsam eingeschult worden

Meli hat heute keinen guten Tag. „Wo ist der Ernst“, fragt sie Ernst, der sie nach einem kurzen Spaziergang wieder an der Hand nach Hause führt. Es ist nicht das erste Mal, dass Meli ihren Mann nicht erkennt.  „Das macht mir nichts aus. Ich weiß ja, dass sie krank ist“, gibt sich Ernst davon unbeeindruckt. Obwohl er sie mittlerweile wie ein Kleinkind betreuen muss, sieht er in ihr nach wie vor die Partnerin. „Für mich ist sie immer noch mein Mädel. Sie war mein erstes Mädel und wird mein letztes sein.“

Die beiden fanden vor 64 Jahren zueinander. „Wir sind zusammen in die Schule gegangen. Das erste Mal sahen wir uns bei der Einschulung. Aber als Sechsjähriger interessiert man sich natürlich noch nicht für Mädchen“, sagt er und lacht. Als 20-Jähriger verliebte er sich in seine ehemalige Schulkameradin, vier Jahre später heiratete er sie. Meli schenkte Ernst vier Kinder. „Wir haben auch zusammen ein Haus gebaut.“

“Am Anfang war unsere Liebe stürmisch. Mit der Zeit wurde sie immer tiefer.”

Ernst, pflegender Angehöriger

Am Anfang sei ihre Liebe stürmisch gewesen, „mit der Zeit wurde sie immer tiefer.“ Ihre Ehe war stabil und krisenfest. „Ich habe nicht ein einziges Mal daran gedacht, sie zu verlassen. Meli und ich haben es miteinander immer schön gehabt.“ Ernst möchte keinen einzigen Tag mit ihr missen. Denn: „Ich habe sie gern, trotz allem. Und sie hat mich noch gern, obwohl sie nicht mehr auf mich zukommt. Es liegt jetzt an mir, dass wir uns nicht fremd werden.“  Wann immer Ernst seinem „Mädel“ im Haus begegnet, nimmt er es in den Arm und gibt ihm einen Kuss. Er sucht auch ständig ihre Hände. Wenn Meli sie bereitwillig in seine legt, sind das Glücksmomente für ihn.

Der Glaube spendet ihm Kraft und Trost

Ernst bereitet jetzt das Mittagessen zu. Seine Ehefrau beobachtet ihn vom Küchentisch aus. „Sie lässt mich den ganzen Tag nicht aus den Augen. Ich muss immer in Reichweite sein. Wenn ich in den Keller gehe, kommt sie nach und schaut nach mir. Und wenn ich im Garten arbeite, kommt sie raus und setzt sich in meine Nähe“, zeigt der Dornbirner auf, wie sehr Meli an ihm hängt. Aber auch er möchte mit ihr ständig beisammen sein. „Es gibt uns nur im Doppelpack.“  

Weil er Meli von Herzen liebt, betreut er sie selbst.  „Sonst kann man das nicht machen.“ Die Kraft hierfür bezieht er aus seinem Glauben. „Ab und zu hadere ich aber mit dem Herrgott, weil er mich nicht erhört. Ich bete ständig um Heilung.“ Ernst fragt sich, wo der Gott ist, der Wunder tut? Aber der 84-Jährige würde sich auch mit weniger zufriedengeben. Er wäre schon glücklich, „wenn Meli nicht in völliger geistiger Umnachtung endet“.