“Kannst du mich dabei unterstützen, Simon?”

Vorarlberg / 23.09.2020 • 17:15 Uhr / 9 Minuten Lesezeit
Tschann (links) und Leiter diskutierten emotional über Gastgärten, Jugendvillas und Polizei. <span class="copyright">VN/Lerch</span>
Tschann (links) und Leiter diskutierten emotional über Gastgärten, Jugendvillas und Polizei. VN/Lerch

Wer wird neuer Bludenzer Bürgermeister? Der neue von der alten Partei oder der alte von der neuen Partei? So lief das Wahlduell.

Schwarzach Die Pandemiebekämpfung drückt auf die Gemeindefinanzen, auch in Bludenz. Wahlversprechen werden obsolet. Gratisstadtbus und Jugendstarterwohnung, wie von ÖVP-Kandidat Simon Tschann gefordert? „Das ist momentan schwierig.“ Es brauche eine Prioritätenliste. Gratiskindergarten und neues Rathaus, wie von SPÖ-Kandidat Mario Leiter propagiert? „Das ist eine politische Entscheidung.“ Beim Duell von VN und VOL.at diskutieren die Bürgermeisterkandidaten vor der Stichwahl am Sonntag zudem über den Hirschengarten, die Villa K, Wohnen und Sicherheit.

Die ganze Diskussion zum Nachsehen. Inklusive Analyserunde.

Herr Tschann, Sie haben gesagt, die Pläne von Mario Leiter zum Hirschengarten sind ein Wahlkampfschmäh. Warum sind sie das? Kann er nicht wiederbelebt werden?

Tschann Das ist seit 20 Jahren ein großes und wichtiges Thema. Es würde mich riesig freuen, wenn es funktioniert. Jeder Bludenzer weiß, dass es mit den Eigentümern nicht so einfach ist. Mario hat es vor fünf Jahren schon einmal angesprochen. Wenn jetzt eine Einigung präsentiert wird, kurz vor der Wahl, dann frage ich mich halt: Stimmt es oder stimmt es nicht?

Leiter Der Hirschengarten ist ein riesen Thema, er liegt seit 20 Jahren brach. Wie alle wissen, bin ich Betriebsansiedlungsstadtrat in Bludenz. Wir haben im Wahlkampf vieles erlebt. Der Kollege hat in Interviews gesagt, die Pläne wären ein Luftschloss. Aber ich baue keine Luftschlösser, ich habe Ziele und Visionen. Und eine solche Vision ist es, den Hirschengarten zu entwickeln. Ich verhandle seit fünf Jahren mit der Eigentümerfamilie, wir haben uns alle paar Monate getroffen und vor sechs oder acht Wochen geeinigt. Nun gibt es Einreichpläne, eine Kooperation mit der Brauerei Fohrenburg und wir haben zwei Interessenten.

Welche Rolle spielt die Stadt Bludenz?

Leiter Die Stadt hat bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich bei diesem Projekt tätig wurde, nie etwas unternommen. Der Hirschengarten ist eine Herzensangelegenheit der Bludenzer. Wenn man das als Politiker nicht ernst nimmt, macht man einen Fehler.

Tschann Seit über 20 Jahren ist die Stadt dran, den Hirschengarten zu revitalisieren, es war immer schwierig mit der Eigentümerfamilie. Deshalb ist es komisch, dass ein Hirschengarten nur kommt, wenn Mario Leiter Bürgermeister wird. Es ist eine Aufgabe von uns allen.

Leiter Bei der ÖBB Lehrwerkstätte hat man vor fünf Jahren auch gesagt: Das schafft er nicht. Ich war neun Mal in Wien. Wir haben sie hergebracht, obwohl der Bürgermeister ein halbes Jahr einen Baustopp verfügt hat. Es ist wichtig, dass man Visionen und Ziele hat. Simon, wie kannst du dir vorstellen, mich bei der Revitalisierung des Hirschengartens zu unterstützen?

Tschann Natürlich braucht es Visionen. Den großen Weitblick habe ich in den letzten Jahren etwas vermisst. Nämlich, dass man Bludenz als Stadtregion sieht. Man muss alles zusammen sehen. Viele junge Leute sagen, wir brauchen in der Region eine Disco. Aber ich kann nicht die Stadtverwaltung dazu beauftragen. Da brauchen wir Leute, die das machen. Die Stadt kann nur die Rahmenbedingungen schaffen.

Das Duell moderierten Birgit Entner-Gerhold (VN) und Marc Springer (VOL.at). <span class="copyright">VN/Lerch</span>
Das Duell moderierten Birgit Entner-Gerhold (VN) und Marc Springer (VOL.at). VN/Lerch

Wie kann die Stadt leistbaren Wohnraum schaffen?

Tschann Jeder weiß, dass leistbares Wohnen ein großes Thema ist. Wir haben Leerstände. Wir als Stadt müssen auch jungen Menschen garantieren, dass sie diese zu einem gewissen Mietpreis oder Kaufpreis zur Verfügung haben.

Das ist schon fast ein sozialistischer Gedanke.

Tschann Es ist ein menschlicher Gedanke. In Zeiten wie diesen haben wir alle erlebt, wie wichtig Gesundheit ist und wie wichtig das Zusammenhalten ist.

Es heißt, in Bludenz stehen 300 Menschen auf der Warteliste für gemeinnützigen Wohnraum.

Leiter Es sind sogar ungefähr 450. Ich bin Mitglied des Wohnungsausschusses und kenne die Sorgen und Nöte, die auf dem Wohnungsmarkt herrschen. Natürlich müssen wir schauen, wie wir leistbaren Wohnraum nach Bludenz bekommen. Das geht nur, wenn wir mit den gemeinnützigen Wohnbauträgern zusammenarbeiten. Unser Ziel ist ein Dreiermodell: ein Drittel einer Anlage zum Kauf, ein Drittel zur Miete, ein Drittel zum Mietkauf.

Simon Tschann: "Ich glaube, allein mit dem Zeugnis, dass ich in meinem Alter als Bürgermeisterkandidat antreten darf, ist ein großes Zeichen, dass mir Jugendarbeit, Jugendliche und Kinder ganz wichtig sind."<span class="copyright"> VN/Lerch</span>
Simon Tschann: "Ich glaube, allein mit dem Zeugnis, dass ich in meinem Alter als Bürgermeisterkandidat antreten darf, ist ein großes Zeichen, dass mir Jugendarbeit, Jugendliche und Kinder ganz wichtig sind." VN/Lerch

Die Villa K wird regelmäßig zum politischen Spielball. Wie stehen Sie zur offenen Jugendarbeit und zur Villa K?

Tschann Grundsätzlich zum Thema Jugend. Ich glaube, allein mit dem Zeugnis, dass ich in meinem Alter als Bürgermeisterkandidat antreten darf, ist ein großes Zeichen, dass mir Jugendarbeit, Jugendliche und Kinder ganz wichtig sind. Ich kann nur positiv zu diesem Thema stehen.

Sind Sie selber auch in der Villa K gewesen?

Tschann Selbstverständlich, aber in jungen Jahren und bei tollen Festen. Ich möchte gar nicht genauer ausführen, was da alles war.

Leiter Ich bin froh, dass ein junger Mensch in die Politik kommt, dann kann ich mit ihm auf Augenhöhe diskutieren. Weil ich fühle mich selber noch sehr jung. Ich fühle mich verantwortlich für die jungen Menschen in Bludenz. Sie sind die Zukunft. Die Villa K ist eine tolle Einrichtung, die Verantwortlichen dort leisten Großartiges.

Mario Leiter: "Ich bin froh, dass ein junger Mensch in die Politik kommt, dann kann ich mit ihm auf Augenhöhe diskutieren. Weil ich fühle mich selber noch sehr jung."<span class="copyright"> VN/Lerch</span>
Mario Leiter: "Ich bin froh, dass ein junger Mensch in die Politik kommt, dann kann ich mit ihm auf Augenhöhe diskutieren. Weil ich fühle mich selber noch sehr jung." VN/Lerch

Sie orten ein Sicherheitsproblem am Bahnhof und möchten dort eine Polizeistation. Warum ist es dort so gefährlich, Herr Tschann?

Tschann Im Vergleich zu den anderen Städten geht es uns hier im Land noch am besten. Aber eine Polizeistation am Bahnhof dient der Prävention.

Leiter Im Wahlprogramm von Simon steht, dass der Bahnhof in der Nacht ein Hotspot ist, dass sich Bürger gefährdet fühlen. Aber die ÖVP Bludenz hat im Jahr 2012 den Nachtdienst der Polizei abgeschafft. Was tu ich mit einer Stadtpolizei am Bahnhof, die in der Nacht nicht besetzt ist?

Es war die letzte von fünf Wahlduellen im VN-Wahlstudio in Schwarzach.<span class="copyright"> VN/Lerch</span>
Es war die letzte von fünf Wahlduellen im VN-Wahlstudio in Schwarzach. VN/Lerch

Die Analyse: Kampf um die Alpha-Position

Schwarzach Der eine kandidiert für die Bürgermeisterpartei, ist aber neu im Geschäft. Der andere will das Bürgermeisteramt erobern, ist aber schon lange politisch aktiv. Wer bringt nun den frischen Wind? Im Duell vor der Bürgermeisterstichwahl in Bludenz versucht sich vor allem ÖVP-Kandidat Simon Tschann als Neuling zu positionieren, während SPÖ-Herausforderer Mario Leiter für die laufenden Projekte wirbt. „Das hat zu einer absurden Situation geführt“, stellt Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle in der anschließenden Analyserunde fest. „Es ist zu einer Prüfungsfrage von Mario Leiter gekommen, der den jungen Herausforderer nach Projekten ausfragte.“ Beide hätten suggeriert, die Nummer eins zu sein und dem anderen mehrfach angeboten, nach der Wahl helfen zu können.

Kathrin Stainer-Hämmerle analysierte gemeinsam mit Moritz Moser und Wolfgang Burtscher das Wahlduell. Die Analyserunde wurde moderiert von Gerold Riedmann (VN).<span class="copyright"> VN/Lerch</span>
Kathrin Stainer-Hämmerle analysierte gemeinsam mit Moritz Moser und Wolfgang Burtscher das Wahlduell. Die Analyserunde wurde moderiert von Gerold Riedmann (VN). VN/Lerch

VN-Kommentator Wolfgang Burtscher beschreibt die Rollen so: „Auf der einen Seite der mit Elan behaftete Jungspund, der vor 14 Monaten nicht daran dachte, jemals hier zu stehen. Auf der anderen Seite ein Politprofi, der sich schon fast als Bürgermeister fühlt und den anderen für nach der Wahl fünfmal einlädt.“ Inhaltlich analysiert Burtscher: „Oh die glückliches Bludenz, wenn ein Drittel der Redezeit für den Hirschengarten verwendet wird.“ VN-Kolumnist Moritz Moser ergänzt: „Das ist ein emotionales Thema, kein fiskales. Es war übrigens das einzige Gespräch, bei dem beide Kandidaten öfter sagten, dass man sich momentan einfach nicht alles leisten kann.“ Das gelte auch für die Wahlversprechen. Wobei Stainer-Hämmerle betont: „Tschann war oft vage, hat von Stadtregionen, langfristigen Perspektiven und Prioritätensetzung gesprochen.“

Stainer-Hämmerle hat sich aus Klagenfurt zugeschaltet.<span class="copyright"> VN/Lerch</span>
Stainer-Hämmerle hat sich aus Klagenfurt zugeschaltet. VN/Lerch

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