„Unser Baby war sechs Minuten im Himmel“

Das Schicksal beutelte Dorothea und Martin arg. Zunächst musste das junge Paar um das Leben seines Babys bangen. Dann wurde bei Dorothea Krebs festgestellt.
Bludenz Dorothea (24) wünschte sich von Martin (25), ihrer großen Liebe, ein Kind. Martin wollte außerdem möglichst jung Vater werden. Deshalb freuten sich die beiden sehr, als sich herausstellte, dass Dorothea schwanger ist.
Die Schwangerschaft war für die junge Bludenzerin beschwerlich. „Ich litt an Übelkeit und Kreislaufproblemen.“ In der 20. Schwangerschaftswoche wurde eine Rhesusunverträglichkeit festgestellt. Das heißt: Das Immunsystem der Mutter erkennt die roten Blutkörperchen des Kindes als Fremdkörper und bildet Antikörper gegen sie, wenn das Blut des Kindes in ihren eigenen Blutkreislauf gelangt. Das kann schwerwiegende Folgen für das ungeborene Kind haben, da es nicht nur zu Blutarmut und Gelbsucht, sondern auch zu Hirnschäden, Herzversagen und sogar zum Tod des Babys führen kann.
Notkaiserschnitt wegen Blutgerinnsel
In der 30. Schwangerschaftswoche entschieden sich die Ärzte für eine Bluttransfusion über die Nabelschnur, weil das Baby an Blutarmut litt und schon sehr geschwächt war. „Danach strampelte mein Sohn wieder. Zuvor war ich mir nicht sicher gewesen, ob er noch lebt. Ich hatte ihn nicht mehr gespürt.“
Nach der Bluttransfusion wurde im Zuge einer Ultraschalluntersuchung entdeckt, dass sich an der Nabelschnur ein Blutgerinnsel gebildet hatte. Das bedeutete, dass das Leben des ungeborenen Kindes auf dem Spiel stand. Denn: „Unser Baby wurde nun nicht mehr mit Blut und Sauerstoff versorgt.“ Jetzt konnte nur noch ein Notkaiserschnitt das Leben des Kindes retten.
„Connor ging für sechs Minuten in den Himmel. Aber er hat sich dafür entscheiden, zu uns zurückzukommen und zu kämpfen.“
Dorothea, Mutter von Connor
Connor wurde am 6. Februar 2020 in der 30. Schwangerschaftswoche geholt. „Er war weiß wie die Wand und wog nur 1,5 Kilo“, berichtet sein Vater Martin. Das Frühchen wurde sofort auf die Intensivstation gebracht. „Die Ärzte machten uns keine Hoffnungen. Sie sagten, dass es nicht sicher sei, dass unser Sohn durchkommt.“ Dem Baby mussten nach seiner Geburt drei Bluttransfusionen verabreicht werden. Bei der zweiten erlitt das Neugeborene einen Herzstillstand. „Connor ging für sechs Minuten in den Himmel. Aber er hat sich dafür entschieden, zu uns zurückzukommen und zu kämpfen“, sind seine Eltern unendlich dankbar dafür, dass die Reanimation erfolgreich war und ihr Sohn unbedingt leben wollte.
Aber sie haben das, was passiert ist, nicht so einfach wegstecken können. Der dramatische Überlebenskampf ihres Kindes schlug Wunden in ihre Seelen. Dorothea suchten Albträume und Depressionen heim, später kämpfte sie mit Schlaflosigkeit. „So etwas Schlimmes habe ich noch nie erlebt. Jeden Moment dachte ich, es könnte Connors letzter sein.“ Irgendwann war sie dann aber soweit, dass sie seinen Tod akzeptiert hätte. „Ich sagte mir: ,Wenn Connor gehen will, dann lass‘ ihn gehen.‘ Das waren die schlimmsten Worte, die ich je zu mir gesagt habe.“
„Ich dachte, dass ich sterben muss“
Aber da stand ihr noch „das schlimmste Gespräch, das ich je führen musste“, bevor. Denn bei der jungen Mutter wurde sechs Wochen nach der Niederkunft Gebärmutterhalskrebs festgestellt. „Ich dachte, dass ich sterben muss.“ Deshalb suchte sie das Gespräch mit ihrer Schwester Sabrina, zu der sie ein enges Verhältnis hat. „Ich fragte Sabrina, ob sie nach meinem Tod meine beiden Kinder in ihre Obhut nimmt.“ Die Antwort der Schwester beruhigte Dorothea. „Sabrina versprach mir, dass sie Dastin und Connor großziehen und auf eigene Kinder verzichten würde.“
Dorothea, der im August der Tumor entfernt wurde, wusste um den Ernst der Lage. Denn bereits vor einem Jahr wurde ihr vor Augen geführt, wie gefährlich und todbringend diese Art von Krebs ist bzw. sein kann. Ihre beste Freundin Karin starb im September 2019 an Gebärmutterhalskrebs. Sie wurde nur 23 Jahre alt und hinterließ einen zweijährigen Buben. Auf den passt Dorothea des Öfteren auf. „Ich habe Karin am Sterbebett versprochen, dass ich mich um ihr Kind kümmere.“

Dorothea schaut jetzt nach ihrem Sohn Connor, der friedlich in seinem Kinderbettchen schlummert. Der Anblick ihres Sohnes jagt ihr Tränen in die Augen. Sie ist so dankbar, dass er lebt und sich in den vergangenen Monaten prächtig entwickelt hat. „Aber ich habe immer noch Angst, dass ich Connor verlieren könnte.“ Doch sie hat gelernt, mit dieser Verlustangst zu leben und mit der Befürchtung, dass der Krebs zurückkommen könnte und ihr das Leben und den Kindern die Mama raubt. „Wir leben jetzt viel mehr im Moment und schätzen das, was wir haben, nun viel mehr“, sagt sie und reicht ihrem Freund die Hand. Martin drückt seine Freundin fest an sich und meint: „Man darf die Hoffnung nicht aufgeben. Egal, was das Leben bringt, irgendwann kommt der Tag, an dem es wieder aufwärts geht.“