Auswanderin Olga wurde mit 32 Jahren Witwe

Vorarlberg / 13.10.2020 • 13:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Auswanderin Olga wurde mit 32 Jahren Witwe
Olga mit ihrem Lebensgefährten Siegfried. ROLAND PAULITSCH

Olga wanderte von Weißrussland nach Österreich aus. Zunächst fühlte sie sich hier einsam. Aber dann trat Franz in ihr Leben.

Bregenz Olga lockte die weite Welt. Deshalb wanderte die junge Weißrussin, die in ihrer Heimatstadt Minsk Wirtschaft und Tourismus studierte, im dritten Uni-Jahr nach Russland aus. „Ich bin nach St. Petersburg gegangen und habe als Rezeptionistin in einem Hotel gearbeitet.“ Die Stadt gefiel ihr hervorragend. „Aber ich vermisste meine Eltern und meine Zwillingsschwester.“ Deshalb kehrte die Weißrussin nach einem Jahr in ihre Heimat zurück.

Erneut den Schritt in die Fremde gewagt

Bis zum Abschluss des Studiums arbeitete sie als Sekretärin an der Universität. In dieser Zeit lernte sie eine Frau kennen, die mit einem Österreicher verheiratet war. Diese machte ihr das Ausland schmackhaft. „Wenn dir langweilig ist, geh‘ nach Österreich. Mein Mann betreibt eine Arbeitsvermittlungsagentur. Der kann dir einen Job vermitteln.“ Diese Aufforderung stieß bei Olga auf offene Ohren. Denn ihre Abenteuerlust war ungebrochen. Nach Abschluss des Studiums wagte Olga erneut den Schritt in die Fremde.

Ohne jegliche Deutschkenntnisse reiste die 22-Jährige im März 2005 nach Kärnten. „Ich dachte: Ich kann Englisch. Da werde ich schon durchkommen.“ Doch der Start ins neue Leben war schwierig. Die junge Frau hatte zwar einen Job – sie bediente in einem Café in Klagenfurt. Aber sie fühlte sich einsam. Zum einen war ihre Familie weit weg. Zum andern fand sie keinen Anschluss – auch wegen ihrer mangelnden Sprachkenntnisse. „Ich hatte nur Kontakt zu der Bekannten, wegen der ich nach Österreich gekommen war.“ Dennoch beschloss Olga, im Land zu bleiben. Auch weil sie ein attraktives Jobangebot aus Gmunden bekommen hatte.

“Mein Mann starb drei Tage vor seinem 45. Geburtstag an einem Herzinfarkt. Es hat lange gedauert, bis ich über seinen Tod hinwegkam.”

Olga, Witwe

Eine schicksalhafte Begegnung in Oberösterreich beendete ihre Einsamkeit. Olga lernte im Jahr 2006 Franz kennen, einen Maurer, der 13 Jahre älter war als sie. „Wir waren sehr verliebt. Nach einem halben Jahr haben wir geheiratet.“ Franz, so sagt sie in fließendem Deutsch, sei ein „1a-Mann“ gewesen. Mit ihm verstand sie sich blendend, mit ihm machte sie schöne Urlaube. Dem Paar waren aber nur neun gemeinsame Jahre vergönnt. „Mein Mann starb drei Tage vor seinem 45. Geburtstag an einem Herzinfarkt.“ Sein Tod stürzte Olga in eine Krise. Mit Franz hatte sie ihren Anker in Österreich verloren. „Es hat lange gedauert, bis ich über seinen Tod hinweg war.“ Aber selbst wenn alles um einen herum einstürzt – das Leben geht weiter.

“Siegfried bedeutet mir alles”

Die junge Witwe zog nach Vorarlberg, weil sie hier jemanden kannte. 2016 begann Olga in einem Café in Bregenz zu arbeiten. An ihrem ersten Arbeitstag lernte sie Siegfried kennen, einen Stammgast des Cafés. Dass dieser in ihrem Leben bald eine große Rolle spielen würde, wusste sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Doch er war für sie da, als sie ein Jahr später wegen eines Schienbeinbruchs mehrere Monate arbeitsunfähig war. „Seither sind wir ein Paar.“ Ihr Partner betreibt das Gasthaus Schendlingen in Bregenz. Olga unterstützt ihn im Betrieb. „Die Arbeit macht mir Spaß und ist nie langweilig.  Ich lerne jeden Tag neue Menschen kennen.“

Die 37-Jährige will nicht mehr nach Weißrussland zurück. „Ich möchte in Österreich bleiben, bei Siegfried. Er bedeutet mir alles. Siegfried ist meine Familie, mein Freund, mein Arbeitgeber. Ohne ihn wäre ich allein in Österreich.“ Dank ihm fühlt sie sich in Vorarlberg beheimatet. „Österreich ist meine zweite Heimat. Aber ich bin und bleibe eine stolze Weißrussin.“

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