Warum der Traum vom Einfamilienhaus verblasst

Vorarlberg / 27.10.2020 • 05:25 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Warum der Traum vom Einfamilienhaus verblasst
Die VN-Serie „Das bewegt Vorarlberg“ fühlt den Stärken und Schwächen des Landes auf den Zahn. VN/Steurer

Steigende Preise, stagnierende Löhne: Experten raten zu alternativen Bauformen.

Rankweil Mit „Schaffa, schaffa, Hüsle baua“ wird seit langem die Mentalität der Vorarlberger beschrieben. Doch mit einem Durchschnittsgehalt und ohne Unterstützung der Eltern oder einem größeren Erbe ist dieser Traum in Vorarlberg schwierig zu verwirklichen. Vor allem die Preise für Baugründe sind in den letzten Jahren in die Höhe geschossen, obwohl genügend vorhanden wären. Ein Drittel des gewidmeten Baulandes ist aktuell nicht bebaut. „Grund und Boden ist immer mehr zum Anlageprodukt geworden. Es gibt kaum andere Anlagemöglichkeiten, die mit großer Sicherheit so hohe Rendite abwerfen“, nennt Raumforscher Johannes Herburger einen wesentlichen Faktor für den wachsenden Druck auf dem Immobilienmarkt. Vorarlberg gehört mit den Nachbarn Schweiz, Liechtenstein und Süddeutschland zu einer der reichsten Regionen der Welt. Bedeutet: „Es ist sehr viel Geld da, für das nach Anlagemöglichkeiten gesucht wird. Das erhöht den Druck.“

Ein weiteres Problem sieht Herburger darin, dass auf der anderen Seite die Reallöhne seit Jahrzehnten stagnieren. „Leute zahlen das vier- oder fünffache von dem, was das Wohnen noch vor 30 Jahren gekostet hat, verdienen aber genau gleich viel. Das ist eine Tatsache, an der die Raumplanung aber nichts ändern kann.“

Untergenutzte Häuser

Müssen wir uns also vom Traum des Einfamilienhauses verabschieden? Nein, sagt Raumforscher Johannes Herburger. „Aber wir müssen einen besseren Umgang damit finden.“ Man müsse über andere Bau- und Finanzierungsformen nachdenken. Viele Einfamilienhäuser, die in den Nachkriegsjahren bis in die 1990er erbaut wurden, werden nur von ein bis zwei Personen genutzt. Eine Lösung könnte also sein,Einfamilienhäuser so zu planen, dass sie in zwei oder drei getrennten Einheiten genutzt werden können: „Es wäre aus Raumplaner-Sicht zum Beispiel klüger, zwei bis drei Wohnungen in Häusern zu schaffen, um eine höhere Dichte zu erzeugen.“ Dann könnten mehrere Haushalte unter einem Dach leben. Eine andere Option sieht Herburger in Reihenhausanlagen.

Wir müssen uns nicht vom Einfamilienhaus verabschieden, aber einen besseren Umgang damit finden, sagt Raumforscher Johannes Herburger. <span class="copyright">VN</span>
Wir müssen uns nicht vom Einfamilienhaus verabschieden, aber einen besseren Umgang damit finden, sagt Raumforscher Johannes Herburger. VN

Verdichtete Bauweise

„Wichtig ist es, den bestehenden Siedlungsraum besser zu nutzen“, ist auch Kerstin Riedmann von der Initiative Bodenfreiheit, die sich für den Erhalt der Landesgrünzone einsetzt, überzeugt. Die Initiative hat in diesem Zusammenhang ein Pilotprojekt angeregt und begleitet: Architekturstudierende der Kunstuniversität Linz haben gemeinsam mit Hausbesitzern Möglichkeiten erarbeitet, um eine Einfamilienhausgegend in Götzis im Bestand nachzuverdichten. „Ein wichtiges Anliegen war es, die Bewohnerinnen und Bewohner mit ihren Fragen, Sorgen und Ideen abzuholen. Das Ergebnis war erstaunlich: Von fünf Bebauungsentwürfen haben sich diese Menschen für die dichteste Variante entschieden“, erklärt Riedmann. Die Studie „Unter der Bahn – Strategien zur Innenentwicklung einer Einfamilienhaussiedlung“ wurde nun vom Land Vorarlberg publiziert und an alle Gemeinden verschickt.

Auch in den Räumlichen Entwicklungsplänen (REP), die die Gemeinden bis Dezember 2022 unter Einbezug der Bevölkerung erstellen, sieht die Initiative Bodenfreiheit eine Chance: „Entscheidend ist dabei der Vorrang der Innen- vor der Außenverdichtung und die Planung von Freiräumen, denn diese werden überwiegend vergessen. Wichtig ist auch, dass sich möglichst viele Betroffene an den Planungen beteiligen.“

Kosten von Häusern und Grund

Einfamilienhäuser sind zwischen 2015 und 2020 um 89 Prozent teurer geworden. Der Quadratmeterpreis aller Transaktionen 2020 liegt bei 3504 Euro. Gleichzeitig war die Zahl der Verkäufe zuletzt rückläufig.

Bauland: Die Nachfrage nach Bauland treibt die Preise weiter nach oben. Innerhalb von fünf Jahren liegt die Steigerung (verbücherte Veräußerungen) bei 83 Prozent. Dabei sind regionale Unterschiede feststellbar.

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