Happy Birthday, Vienna!
Vor wenigen Tagen feierte das Land Wien seinen 100. Geburtstag. Die Stadt Wien war, wenngleich mächtige Millionenstadt, während der Habsburgermonarchie Teil des Kronlandes Niederösterreich gewesen. Mit dem Inkrafttreten der Bundesverfassung am 10. November 1920 wurde Wien rechtlich aus seinem niederösterreichischen Umland herausgelöst und bildet seither eines der neun Länder Österreichs.
Der Wunsch nach einem eigenen Land Wien, das gleichzeitig Gemeinde sein würde, war eine der Kernforderungen der Sozialdemokraten bei der Schaffung der neuen Bundesverfassung. Ohne diese Garantie hätten sie keinem Bundesstaat zugestimmt. Sie hatten recht. Nur die Existenz Wiens als eigener „Bundesstaat“ ermöglichte es ihnen, die Vision eines „Neuen Wien“ zu verwirklichen, das sie heute „Rotes Wien“ nennen, wie Landeshauptmann Michael Ludwig aus Anlass des 100. Geburtstags des Landes Wien twitterte. Die sozialen Errungenschaften, auf die man in Wien stolz ist, hätten nicht zustande kommen können, wenn Wien bloß Gemeinde geblieben und damit wie alle anderen Kommunen Österreichs unter staatliche Aufsicht gestellt worden wäre. Millionenstadt und Bundeshauptstadt hin oder her, das hätte nichts genützt.
Föderalismus ermöglichte insbesondere den sozialen Wohnbau, heute eine der wichtigsten Landesaufgaben, nicht nur in Wien. Auch in der Bildungspolitik gelangen dem „Roten Wien“ unter dem Stadtschulratspräsidenten Otto Glöckel trotz eingeschränkter Kompetenzen einige Reformen. Dass sich die Sozialdemokraten trotz dieser Leistungen nach 1945 mit der ÖVP verständigten, gerade das Bildungswesen zentralistisch zu betonieren und auf Landesebene so gut wie keine Innovationen zuzulassen, ist eigentlich eine Tragik. Die damals große Koalition aus ÖVP und SPÖ hat allen eigenständigen Initiativen auf Landesebene verfassungsrechtlich einen Riegel vorgeschoben. Angst vor der eigenen Courage nennt man das wohl.
Zu guter Letzt führte die Existenz des Landes Wien aber auch zu einem besseren Gleichgewicht im Bundesstaat. Heute würde das Land Niederösterreich zusammen mit Wien nahezu die Hälfte der Bevölkerung Österreichs repräsentieren. Damit hätten es die kleineren Länder deutlich schwerer, ihre Interessen durchzusetzen. Auch zur politischen Ausgewogenheit trägt die Existenz des Landes Wien bei. Happy Birthday!
„Der Wunsch nach einem eigenen Land Wien, das gleichzeitig Gemeinde sein würde, war eine der Kernforderungen der Sozialdemokraten.“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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