Tod und Trauer in der Coronakrise

Dem 80-jährigen Kurt Unterrainer wurde das Coronavirus zum Verhängnis.
Dornbirn Kurz vor seinem Tod, vor knapp drei Wochen am 2. November, war der Mensch noch bei ihm, den Kurt am meisten liebte, seine Frau Helene. 55 Jahre waren die beiden verheiratet. „Ich sagte zu ihm: Kurt, du kannst gehen. Du musst dich nicht um mich sorgen. Unsere Kinder passen auf mich auf.“ Zwei Stunden später schlief der 80-jährige Familienvater friedlich ein. Er litt an der Lungenerkrankung COPD, das Coronavirus wurde ihm zum Verhängnis.
Tochter Doris (53) findet darin Trost, „dass im Himmel jetzt alle zusammen sind: mein Papa, meine Schwester Karin und mein Bruder Dietmar.“ Schlimmer als der Tod ihres Vaters traf sie der Tod ihrer zwei Geschwister. Wenn ein alter Mensch geht, der ein erfülltes Leben hatte, kommt man eher damit zurecht, als wenn Menschen gehen, die ihre Träume noch nicht verwirklicht haben und jung aus dem Leben gerissen werden. Ihre Schwester Karin starb 2011 ganz plötzlich an einer Hirnblutung. Erst 46 Jahre alt, hinterließ sie einen Mann und zwei Kinder. Der Bruder, Dietmar, kam 2018 zu Tode. Nach einem epileptischen Anfall stürzte der 51-jährige Vater einer Tochter so unglücklich auf den Kopf, dass er verstarb.
Positive Lebenseinstellung
Der Verlust der zwei Kinder schweißte Helene und Kurt noch enger zusammen. „Wir haben viel miteinander geredet, das gab uns Kraft.“ Die positive Lebenseinstellung ihres Mannes übertrug sich auf Helene. „Er sagte: Das Leben geht weiter. Wir haben auch noch andere Kinder.“ Weil Kurt sich in keiner Lebenssituation unterkriegen ließ, nannten ihn seine Freunde „Stehaufmännchen“.
Der fünffache Vater musste im Leben so manchen Schicksalsschlag verkraften. Zwei Mal sprang Kurt dem Tod gerade noch von der Schippe. 2008 wurde dem Dornbirner, der Raucher war, ein Teil der Lunge entfernt. 2011 erlitt er einen Herzinfarkt. „Papa hat viel mitgemacht. Trotzdem jammerte er nie, war zufrieden und fröhlich“, bewunderte Doris ihn dafür immer. Überhaupt sei er ein prima Vater gewesen. „Immer wenn er gebraucht wurde, war er da.“ Dass er sie als Teenager nicht gerne ausgehen ließ und diesbezüglich sehr streng war, hat sie ihm längst verziehen. „Ich hatte einfach immer Angst um dich und deine Schwester“, sagte er ihr später einmal.
Eng verbunden
Wenn Kurt mit seiner Frau tatsächlich einmal in Streit geriet, dann nur wegen der Kinder. „Er hat sie einfach nicht gern fortgehen lassen“, erzählt Helene. Aber selbst der Nachwuchs konnte das Paar nicht auseinanderdividieren. Wie eng verbunden Helene und Kurt waren und wie sehr sie sich geliebt haben, sieht man, wenn man die Familienalben durchblättert: kaum ein Foto, auf dem sie einander nicht halten und berühren. Selbst die Tatsache, dass die beiden ununterbrochen zusammen waren, beeinträchtigte ihre Beziehung nicht. Im eigenen Betrieb in Dornbirn arbeiteten sie Rücken an Rücken.
Bevor Kurt sich als Webermeister selbstständig machte, arbeitete er in Nachtschichten in einer Textilfirma. Und tagsüber fertigte er die ersten Leintücher im eigenen Betrieb an. Nach zehnjähriger Doppelbelastung war Kurt dann nur noch für sein Unternehmen da und produzierte die ersten Handwebeteppiche. „Papa arbeitete wie ein Tier. Aber für ihn war es kein Muss, sondern eine Leidenschaft“, zeigt sich Tochter Doris beeindruckt von der Tüchtigkeit ihres Vaters. In den 1980er-Jahren verlieh ihm der Wirtschaftsverband wegen seiner Verdienste den Titel Kommerzialrat. Seine Ehefrau weiß, dass er auf sein Lebenswerk stolz war. „Kurt sagte zu mir: Helene, jetzt haben wir es doch gut geschafft und gemeistert.“ Ihr Mann ist der Witwe auch nach seinem Tod ein Vorbild. „Er würde sagen: Es muss weitergehen.“ Deshalb versinkt die 74-Jährige auch nicht in Selbstmitleid. Die Kraft zum Weiterleben bezieht sie aus dem Glauben „Ich bete viel und vertraue darauf, dass wir eines Tages wieder zusammenkommen.“ Doris und ihren Geschwistern Andrea und Jürgen setzt der Verlust des Vaters auch zu. „Aber dadurch, dass wir schon so oft mit dem Tod konfrontiert wurden, können wir es besser verkraften.“ VN-KUM
„„Ich sagte zu ihm: Kurt, du kannst gehen. Du musst dich nicht um mich sorgen.“