Irgendwie anders, irgendwie zusammen
Früher wären wir am 1. Adventsonntag mit anderen Familien zusammengesessen, hätten Kekse gebacken, Lichterketten aufgehängt, die erste Kerze am Adventkranz angezündet, hätten in der früh einbrechenden Dunkelheit bei Kerzenschein mit roten Backen Weihnachtslieder gesungen, hätten Kakao und Tee getrunken, und dann vielleicht noch was Spritzigeres. Heuer nicht. Und na gut, das mit dem Singen ist schon sehr lange her, und das Keksebacken ist auch ein wenig verklärt. Seit die Kinder dafür keine ausgeprägte Euphorie mehr zeigen, beschränkt es sich im Wesentlichen darauf, dass ich zwei Bleche Mürbteigkekse backe, und sie dann mit Zuckerguss lackiere. Sie kommen in ein schönes, großes Glas, und wenn das Glas so um den 3. Dezember herum leer ist, bleibt es das auch. Etwa jedes zweite Jahr gibts gar keine Weihnachtsbäckerei, weil es sich irgendwie nicht ausgegangen ist, dann bewundere ich die hier schon mal erwähnten filigranen Wunderwerke, die mir via Whatsapp von meiner Herkunftsfamilie präsentiert werden, esse Spekulatius aus dem Supermarkt und freue mich über die Weihnachtsbäckerinnen in meiner Familie, die so fleißig sind, dass ich in den Weihnachtfeiertagen auch noch was davon haben werde. Und ehrlich gesagt, gibt es auch schon lange keinen Adventkranz mehr, seit die Kinder nicht mehr im Hort sind, wo alle Jahre wieder das traditionelle Adventkranzbinden stattfand: Der Hort-Leiter kippte einen Anhänger voller Reisig in den Spielraum, und danach bewiesen sich Mütter und Väter gegenseitig, dass es auf der Welt viele verschiedene Talente gibt, und dass sie sehr unterschiedlich an die Menschen verteilt werden. Vier Kerzen auf einem Teller und ein bisschen Reisig dazwischen sehen bitte auch sehr schön aus. Und es gibt Lichterketten! Ich brauchte sie nicht mal aufzuhängen, weil ich praktischerweise letztes Jahr vergass, sie wieder zu verräumen.
Wir feierten auch heuer den 1. Advent, nur nicht so besinnlich bei Kerzenschein. Stattdessen zogen wir uns zu Mittag warm an, spazierten mit kleinen und großen Kindern und Hunden in den Wald und machten dann ein kleines Distanz-Picknick am Ufer des Flusses, zwischen Bäumen und bemoosten Steinen. Leider rutschte dem Schorsch beim Auspacken die Flasche mit dem guten Spritzigen aus dem Rucksack und zerschellte auf einen Felsbrocken, das war schade. Kerzen gabs auch keine, aber Tannengrün satt, und rote Backen, Kakao und Tee und Käsebrote, und Spekulatius aus der Packung. Hoch über uns flogen ein paar Wildgänse quer durch den Himmel. Und wir waren auch heuer irgendwie zusammen, anders als sonst, aber zusammen.
„Wir waren auch heuer irgendwie zusammen, anders als sonst, aber zusammen.“
Doris Knecht
doris.knecht@vn.at
Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.
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