Haltet den Dieb
Die Methode, bei ertapptem eigenen Fehlverhalten den Spieß umzudrehen und auf andere zu richten, ist eine vielfach erprobte Methode. Blöd nur, dass sie nicht immer funktioniert. Das muss jetzt gerade der Bregenzer Bürgermeister Michael Ritsch mit seinem gescheiterten Versuch erfahren, SPÖ-Nationalrat Einwallner ohne Ausschreibung als neuen Stadtamtsdirektor zu installieren. Er beklagt, dieses Vorhaben sei zu „einem politischen Spiel zwischen den anderen Fraktionen geworden“, blendet dabei aber völlig aus, dass er selbst ja dieses Spiel angepfiffen hatte. Und die ursprüngliche Mehrheit im Stadtrat – gab es da eine heimliche Absprache? – sei ihm lediglich unter politischen Druck abhandengekommen. Dem widersprachen die Grünen (nur sie konnten gemeint sein) umgehend, sie wollten ja nicht gerade bei einem solchen Thema als mit der SPÖ frisch Verlobte grüßen lassen.
Die Kritik richtete sich auch gar nicht gegen den routinierten und tüchtigen Nationalrat Einwallner persönlich. Stein des Anstoßes war, dass die Stelle nicht – wie üblich – öffentlich ausgeschrieben war und sozusagen unter der Hand vergeben werden sollte. Das widersprach so deutlich der Ankündigung von Bürgermeister Ritsch, für mehr Offenheit und Transparenz sorgen zu wollen, dass Kritik der anderen Parteien demokratische Pflicht war.
Dass bisher kein einziger Grund auf den Tisch gelegt wurde, warum der bisherige allgemein geschätzte Stadtamtsdirektor Feuerstein mit hohen Kosten für die Stadt überhaupt blitzartig abgelöst werden sollte, sorgte auch nicht gerade für Klarheit. Natürlich ist es notwendig, dass ein neuer Bürgermeister seine engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umstandslos auswechseln kann, das ist in Land und Bund nicht anders. Der Stadtamtsdirektor als oberster Beamter der Stadt gehört aber nicht dem Bürgermeister allein, sondern der ganzen Stadt. Er brauche, das hat die grüne Vizebürgermeisterin auf den Punkt gebracht, ein Mindestmaß an Respekt und Vertrauen von allen.
Gemunkelt wird, Ritsch könne mit dem (2014 übrigens nach einem objektiven Auswahlverfahren bestellten) Stadtamtsdirektor einfach persönlich und politisch nicht. Da ist ein Blick auf frühere Bürgermeisterwechsel recht interessant. Für Bürgermeister Fritz Mayer war es 1970 nach seinem Wahlsieg kein Problem, mit dem langjährigen Stadtamtsdirektor Anton Loser bis zu dessen Pensionierung neun Jahre zusammenzuarbeiten. Und auch Siegfried Gasser übernahm 1990 ganz selbstverständlich den von Fritz Mayer eingesetzten Stadtamtsdirektor Arnulf Eberle und arbeitete mit ihm die ganze Amtszeit hindurch gut zusammen. An einer solchen Souveränität muss Michael Ritsch offenkundig noch arbeiten.
Jürgen Weiss
juergen.weiss@vn.at
Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.
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