Blame-Game
Als „Blame-Game“ bezeichnet man gegenseitige Schuldzuweisungen, wie sie nun vor allem in der Corona-Krise gebräuchlich geworden sind. Da wird beispielsweise weiterhin munter die Ischgl-Keule geschwungen, als ob Wintersport hauptsächlich in hemmungslosem Alkoholkonsum bestünde. Freilich hat „Ischgl“ vor ungefähr neun Monaten in einem sehr relevanten Ausmaß zur Verbreitung des Virus beigetragen, wie auch die berüchtigten „Reiserückkehrer“ im Sommer vom Balkan. Ihnen vornehmlich die Schuld an der zweiten Welle zuzuschreiben, ist fruchtloses Blame-Game.
Solche Spiele betreiben auch Bund und Länder. Der Bund wirft den Landesbehörden vor, die Möglichkeiten einer regionalen Bekämpfung des Virus nicht in Anspruch genommen zu haben, weil sie ihrer Bevölkerung keine unangenehmen Beschränkungen auferlegen wollten. Das ist zwar unrichtig, weil ab September, als vom Bund endlich tragfähige Rechtsgrundlagen geschaffen wurden, von Landeshauptleuten und Bezirksverwaltungsbehörden gegen mitunter heftigen Widerstand der Öffentlichkeit Dutzende strengere Verordnungen erlassen wurden, aber es ändert nichts daran: Die Maßnahmen waren nicht ausreichend.
Die Länder verweisen ihrerseits auf das Regelungschaos auf Bundesebene, die häufig unzureichende Kommunikation der Maßnahmen und die schlechte Einbindung in die Entscheidungsfindung. Das stimmt, ist aber eben auch nur einer von vielen Gründen für die Ausbreitung des Virus.
Die Oppositionsparteien beherrschen das Spiel besonders gut: Auf Bundes- und Landesebene sehen sie die Schuld bei den jeweils Regierenden, die entweder zu spät gehandelt oder das Falsche angeordnet hätten. Überhaupt haben sie schon immer alles besser gewusst.
Allerdings wird es auch nicht besser, wenn die Regierenden mangelnde Unterstützung durch die Opposition beklagen: Man gewinnt nämlich nicht immer den Eindruck, als bestünde bei den Regierungsparteien die ernsthafte Absicht, die Opposition in die Entscheidungsfindung einzubinden. Zu guter Letzt wirft die Bevölkerung der Politik vor, versagt zu haben, und die Politik klagt, dass die Menschen Empfehlungen und Vorschriften zu wenig ernst nehmen.
All die wechselseitigen Anschuldigungen bringen uns nicht weiter. Wie das eher ernüchternde Ergebnis der Massentests gezeigt hat, ist das Vertrauen der Bevölkerung in die staatliche Krisenbewältigung gesunken und die Solidarität hat deutlich nachgelassen. Vor allem sind die Behörden auf allen Ebenen gefordert, aus gemachten Fehlern zu lernen, Kooperation und Koordination zu verbessern, um durch Professionalität wieder Vertrauen zu gewinnen.
„All die wechselseitigen Anschuldigungen bringen uns nicht weiter.“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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