Wichtig ist, dass die Tötung auf Verlangen verboten bleibt. Aufgehoben wird nur das Verbot zur Beihilfe, damit bleibt vieles andere weiterhin verboten. Entscheidend ist, wie die Bestimmungen umgesetzt werden. Es gibt eine Frist und die gilt es, gut zu begleiten. Ziel muss sein, so vorzusorgen, dass jeder Mensch auch den letzten Teil des Lebens gut betreut leben möchte. Walter Schmolly, Caritas
VfGH kippt ausnahmsloses Verbot der Beihilfe zum Suizid. Jetzt ist der Gesetzgeber am Zug.
Wien Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) kippt die Strafbarkeit der Beihilfe zum Suizid. Der Straftatbestand der „Hilfeleistung zum Selbstmord“ verstoße gegen das Recht auf Selbstbestimmung. Es sei verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten, erklärte VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter am Freitag. Der Gesetzgeber hat nun ein Jahr Zeit, die Rahmenbedingungen für die erlaubte Beihilfe zum Suizid festzulegen. Das Erkenntnis des Höchstgerichts lässt einige Fragen offen, erklärt Verfassungsjurist Peter Bußjäger. Eines steht mit der Entscheidung aber fest: Tötung auf Verlangen bleibt strafbar.
Recht auf Selbstbestimmung
Vier Antragsteller zogen gegen das Verbot der Sterbehilfe vor das Höchstgericht, unter anderem ein an Multipler Sklerose erkrankter 56-jähriger Mann, der nicht mehr ohne fremde Hilfe aus dem Leben scheiden kann, und ein Arzt, der Sterbehilfe leisten möchte, aber straf- und standesrechtliche Konsequenzen fürchtet. Sie argumentierten, dass ein Verbot der Sterbehilfe Grundrechtsbestimmungen verletzt. Die Regierung führte dagegen das Missbrauchspotenzial einer liberalisierten Sterbehilferegelung ins Treffen. Der VfGH geht mit seinem Erkenntnis auf beide Seiten ein. Die Höchstrichter erklären, dass das Recht auf freie Selbstbestimmung sowohl das Recht auf die Gestaltung des Lebens als auch das Recht auf ein menschenwürdiges Sterben umfasse. Das ausnahmslose Verbot der Beihilfe zum Suizid ist daher ab 1. Jänner 2022 nicht mehr aufrecht. Der Gesetzgeber muss bis dahin Maßnahmen festlegen, die einen Missbrauch verhindern.
Rahmenbedingungen offen
Für Verfassungsjurist Bußjäger kommt das Erkenntnis nicht überraschend: „Es lässt einen allerdings auch ein wenig ratlos zurück.“ Nun müsse der Gesetzgeber offene Fragen beantworten, zum Beispiel, ob professionelle Sterbehilfe in Österreich erlaubt wird. Es sei zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Beihilfe zum Suizid nicht mehr strafbar ist. Soll eine Unterstützung etwa nur bei todkranken Menschen zulässig sein? Dass Grabenwarter mehrfach betonte, dass es ein Recht auf menschenwürdiges Sterben gebe, deute darauf hin.
Änderung 2015 empfohlen
Die Bioethikkommission hatte bereits 2015 empfohlen, das Gesetz in Bezug auf die „Beihilfe zum Selbstmord“ zu ändern. Angehörige und nahestehende Personen sollten nicht bestraft werden, wenn sie eine Person beim Suizid unterstützen. Voraussetzung dafür müsse aber sein, dass der Betroffene an einer unheilbaren, zum Tod führenden Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung leidet und die Beihilfe nur auf Wunsch eines kompetenten und aufgeklärten Patienten geschehe. VN-ebi
Das Erkenntnis lässt einen ein wenig ratlos zurück, wie es in der Praxis geregelt werden soll. Peter Bußjäger, Verfassungsjurist
Entscheidend ist, wie der Gesetzgeber mit dem Erkenntnis umgeht und Paragraph 78 StGB korrigiert wird. Michael Jonas, Ärztekammer