Diskurs um mögliche Corona-Impfpflicht

In Vorarlberg wird eine solche als ausgeschlossen bezeichnet.
bregenz Kommt eine Impfpflicht gegen Covid-19? Kürzlich ist der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) vorgeprescht. „Wenn es um die Gesundheit geht, sag ich: die Gesundheit ist nicht alles. Aber ohne Gesundheit ist alles nichts.‘ Und wenn die Vorrang hat, dann muss man manche zum Glück zwingen“, so Schützenhöfer. Auch sein oberösterreichischer Amtskollege Thomas Stelzer (ÖVP) hatte sich in der Vergangenheit bereits für eine verpflichtende Impfung ausgesprochen. Aus anderen Bundesländern kommt Widerstand. So stellt Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Waller (ÖVP) eine Impfpflicht in Abrede. Auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erklärte am Montag: „Wir haben keine Notwendigkeit.“
Auf Hausärzte setzen
Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) will auf die Hausärzte und das Vertrauen der Patienten zu ihnen setzen. Es werde eng mit der Ärzteschaft zusammengearbeitet. „Wir hoffen überdies, dass das Interesse steigt, wenn die Leute sehen, dass die Impfung funktioniert“, sagt Rüscher. Eine andere Alternative zu Lockdown und Einschränkungen sieht sie jedenfalls nicht. Sie kündigt Informationskanäle an, über die Fragen zur Impfung gestellt werden können, auf die Impfexperten antworten. Aktuell ist die Skepsis unter den Österreichern groß. Das legt der am Wochenende veröffentliche aktuelle „Österreich Trend“ von Meinungsforscher Peter Hajek für APA und ATV nahe. Demzufolge will sich nur knapp jeder Fünfte impfen lassen. 17 Prozent würden das „ganz sicher“, 29 Prozent „sicher nicht“.
Nach Einschätzung von Verfassungsjurist Peter Bußjäger wäre eine gesetzliche Pflicht zur Covid-19-Impfung verfassungsrechtlich möglich. Voraussetzung sei, dass der Gesetzgeber Ausnahmen für Menschen schafft, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können, und der verwendete Impfstoff sicher ist. Auch eine Verpflichtung nur für bestimmte berufliche Gruppen, etwa im Gesundheits- und Pflegebereich, sei denkbar. „Die Differenzierungen müssen sachlich gerechtfertigt und genau begründet sein.“
55 Prozent als Ziel
Doch wie viele Menschen müssten überhaupt geimpft werden, dass eine Herdenimmunität besteht und sich das Virus nicht mehr weiterverbreiten kann? Gesundheitsexperte Armin Fidler spricht von einem Annäherungswert, der sich immer genauer präzisieren lasse, je mehr man über den Erreger wisse. „Bei Covid19 sprechen wir etwa von 60 Prozent. Dabei kommt es auch darauf an, wie viele Menschen die Erkrankung schon durchgemacht haben, also zumindest für eine gewisse Zeit lang Antikörper besitzen und nicht sofort geimpft werden müssen.“ Im Österreich-Schnitt dürften das etwa fünf Prozent sein. Ziel sei also eine Durchimpfungsrate von 55 Prozent. „Wenn wir das erreichen, dann bricht das epidemische Geschehen zusammen.“ Im besten Fall könnte dem Mediziner zufolge dann schon im Sommer ein Stück weit Normalität herrschen. Doch solange das Infektionsgeschehen nicht überall auf der Welt bekämpft sei, blieben regionale Ausbrüche möglich. „Masken und Abstandhalten sowie eine Test- und Kontaktnachverfolgungsstrategie werden uns noch eine Zeit lang begleiten.“
Fidler kann sich vorstellen, dass es in bestimmten medizinischen Bereichen eine Impfpflicht geben könnte, etwa in Alten- und Pflegeheimen oder auf Intensivstationen. „Schleppt man dort eine Infektion ein, hat das Todesfolgen.“ Abgesehen davon hält es der Experte für wahrscheinlich, dass etwa Konzertveranstalter oder Fluggesellschaften einen Impfnachweis von Besuchern oder Passagieren verlangen. Eine Fluglinie hat das bereits angekündigt. Reisende, die künftig mit der australischen Qantas fliegen wollen, müssen gegen Covid-19 geimpft sein. Sonst kommen sie nicht an Bord. VN-RAM, MM

Es wird keine Impfpflicht geben. Eine solche ist ausgeschlossen. Wir möchten mit guten Argumenten punkten. Wir hoffen, das Interesse steigt, wenn klar ist, dass die Impfung gut funktioniert . Martina Rüscher, (48), Gesundheitslandesrätin

Es sollte eine persönliche Entscheidung sein, ob man sich impfen lässt oder nicht - obwohl ich jedem dazu raten würde. Eine Pflicht würde den Widerstand unter Skeptikern nur verstärken. Johannes Rauch, (61) Mobilitätslandesrat

Wir sind gegen eine Impfpflicht. Es sollte jedem selbst überlassen bleiben, ob er sich impfen lassen will. Es braucht aber eine gute Aufklärungsarbeit. Viele warten ja schon sehnsüchtig darauf. Sabine Scheffknecht, (42) Neos-Klubobfrau

Ich hätte vor einer Impfpflicht über eine Testpflicht diskutiert. Die persönlichen Eingriffe wären da weniger gravierend. Die Corona-Impfung benötigt noch einen breiten gesellschaftlichen Diskurs. Thomas Hopfner, (55) SPÖ-Klubobmann

Es muss die freie Entscheidung jedes Einzelnen sein, ob man sich impfen lässt oder nicht. Alles andere wäre ein massiver Eingriff der Politik in unsere Grund- und Freiheitsrechte. Christof Bitschi, (29) FPÖ-Klubobmann