Altenpflegerin: „Humane Pflege ist nicht mehr möglich“

Altenpflegerin Carina Anfang (42) sorgt sich um ihre Schützlinge: „Die Corona-Maßnahmen verunmöglichen ihnen ein würdevolles Leben bis zum Tod.“
Schwarzach Carina Anfang (42) arbeitet seit zweieinhalb Jahren in einem Pflegeheim in Vorarlberg. Sie leitet dort einen Wohnbereich. Dieser ist für 20 Menschen das letzte Zuhause. Die Krankenschwester hat es nicht bereut, dass sie vom Spital ins Altersheim gewechselt ist. Für sie war die Entscheidung, Altenpflegerin zu werden, goldrichtig. Denn: „Die Arbeit ist schön und bereichernd. Man kann mit den alten Menschen tiefe Beziehungen eingehen und mit ihnen den letzten Lebensabschnitt gehen.“ Es erfüllt sie, dass sie dazu beitragen kann, dass die Heimbewohner ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben bis zu ihrem Tod führen können.
Seit März im Ausnahmezustand
„Aber seit Corona ist alles anders. Seither leben wir alle im Heim in einem Ausnahmezustand. Die von der Regierung gesetzten Maßnahmen verunmöglichen ein würdevolles Leben bis zum Tod. Unter diesen Umständen können wir Pflegenden eine menschenwürdige Pflege nicht mehr gewährleisten“, bedauert Carina zutiefst. Immer noch mehr Schutzmaßnahmen würden die Freiheit aller im Heim einschränken. „Es ist keine Freiheit mehr da. Über die Grundrechte wird hinweggegangen.“
„Die betreuten Menschen ziehen sich in sich selbst zurück. Sie sind traurig und fühlen sich einsam.“
Carina Anfang, Altenpflegerin
Zu den Folgen der massiven Einschränkungen sagt sie: „Die betreuten Menschen ziehen sich in sich selbst zurück und verschließen sich. Sie sind traurig und fühlen sich einsam.“ Bereits die Gesichtsmaske hätte fatale Auswirkungen. Nicht nur, dass diese dem Pflegepersonal das Atmen und damit die Arbeit erschwere. „Die Verhüllung unterbindet einen der wichtigsten Kommunikationswege. Wenn die Mimik nicht mehr gesehen wird, kann das Gegenüber vieles nicht richtig deuten und verstehen.“

Nun reiche es aber nicht, die als sicher geltende FFP2-Maske zu tragen. „Nein, auch Schutzbrillen werden bei der Grundpflege verlangt und von uns toleriert. Auf die Spitze getrieben wird es noch mit zusätzlichen Schutzmänteln, die bei bestimmten Grundpflege-Tätigkeiten getragen werden müssen.“ Nachsatz: „Das macht man normal bei Menschen, die an schweren infektiösen Erkrankungen leiden wie etwa Tuberkulose.“ Carina tun die alten Menschen leid: „Die fragen sich: ,Warum muss man sich vor mir so schützen?‘“
Die Altenpflegerin versteht auch nicht, warum sie Distanz wahren muss, wenn die FFP2-Masken doch als sicher gelten. „Dann kann ich doch jemanden in den Arm nehmen. Berührungen sind für jeden das Allerwichtigste. Als Altenpflegerin bin ich ein Stück weit Familie für die Bewohner.“ Apropos Familie: Pro Woche darf derzeit nur ein Angehöriger auf Besuch kommen. Auch diese Verordnung löst bei Carina Unverständnis aus. „Jeder Besucher bekommt ja eine FFP2-Maske. Warum können dann nicht mehr Besucher ins Heim kommen, zumal die Bewohner selbst nicht außer Haus gehen sollten. Für mich ist das unmenschlich.“ Werte wie Menschlichkeit und Liebe müssten über allem stehen, „auch über diesen Maßnahmen, die für den Menschen nicht gut sind“.
Zur Impfung lässt sie sich nicht zwingen
Für diese Werte setzt sie sich jetzt mehr denn je ein. „Gerade in so einer Zeit brauchen uns die betagten Menschen noch mehr. Wir als Pflegepersonal müssen nun viel von den Bewohnern abfangen.“ Dem Berufsstand wird seit März enorm viel abverlangt. „Wir sind am Limit unserer Kräfte angelangt.“ Carina und ihresgleichen stehen unter ständigem Druck. „Wir müssen uns jede Woche testen lassen.“ Die 42-Jährige hält das nicht für notwendig. „Ich bin nur dann krank und infektiös, wenn ich Symptome habe, sonst nicht. Aber jetzt muss man als Symptomloser in Quarantäne gehen, wenn der Test positiv ist. Dann hocke ich gesund daheim und falle als Arbeitskraft aus. Dann müssen andere für mich einspringen. Doch so große Personalressourcen hat man nicht“, zeigt sie die Problematik auf.
Zu den Tests lässt sie sich zwingen, nicht aber zur Covid-19-Impfung. „Soweit geht es nicht, dass ich mich zu einer Impfung zwingen lasse. Das ist ein Eingriff in die Grundrechte. Jeder Mensch muss selbst über seinen Körper bestimmen dürfen.“ Bevor sich die alleinerziehende Mutter zweier Kinder auf den Weg zur Arbeit macht, merkt sie noch an: „Bei uns im Heim ist noch keiner an Corona verstorben. Ich frage mich, warum das so ist, ob es damit zu tun hat, dass wir die Maßnahmen strikt einhalten oder ob es nicht vielmehr daran liegt, dass das Coronavirus längst nicht bei allen zum Tod führt?“