Rohrkrepierer
Die Erbschaft der türkis-blauen Regierung macht den Schulen in Österreich bis heute zu schaffen. Stück für Stück blättert der Lack von den vollmundig verkündeten Maßnahmen zur sogenannten Integration ab. Eine Studie des Zentrums für LehrerInnenbildung der Universität Wien stellt dem Renommierprojekt „Deutschförderklassen“ ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Im besten Fall hat die weitgehende Isolierung von Kindern mit mangelnden Deutschkenntnissen in eigenen Lerngruppen keinen allzu großen Schaden angerichtet, bei denen, die es schnell schafften aus diesem Experiment wieder herauszukommen. Meistens aber steht soziale Ausgrenzung und mangelndes „Gemeinschaftsgefühl“ mit den anderen Kindern am Ende dieses Versuchs.
Das österreichische Höchstgericht, der Verfassungsgerichtshof, hat wenigstens ein anderes blau-türkises Projekt schon in den Mistkübel befördert.
Spielerisches Lernen der Sprache mit anderen Kindern fällt weitgehend aus, fehlerhaftes Deutsch wird im Umgang mit den Klassenkollegen in der Deutschfördergruppe kultiviert. Und wenn dann der Übergang in die Regeklasse endlich kommt, dann fehlen Kenntnisse in Mathematik oder Englisch, und die auf diese Weise „Geförderten“ werden zunächst einmal erneut ins Abseits befördert. Nur eine Minderheit der LehrerInnen die in den „Deutschförderklassen“ arbeiten haben überhaupt eine Zusatzausbildung für „Deutsch als Zweitsprache“ und sind heillos überfordert. Es fehlt an geeignetem Lehrmaterial, an Räumen und anderen Ressourcen. Viele PädagogInnen haben den Eindruck, als sollten sie einfach nur die Ihnen Anvertrauten so lange es geht von den anderen SchülerInnen fernhalten. Danach kommen die Probleme doppelt zurück. Bis dahin versuchen manche zu tun, was immer sie können. Zum Beispiel möglichst wenige bei der Sprachstandsfestellung durchfallen zu lassen, damit die Mindestzahl an Schülerinnen, die zur Einrichtung einer Deutschförderklasse erforderlich ist, gar nicht erst aufkommen zu lassen. So funktioniert ein System, dass die Menschen dazu zwingt, gegen das System zu arbeiten um schlimmeres zu verhüten. All das hat man eigentlich schon vorher gewusst, aber vielleicht geht es dabei ja auch nur um die Propaganda.
Das österreichische Höchstgericht, der Verfassungsgerichtshof, hat wenigstens ein anderes blau-türkises Projekt schon in den Mistkübel befördert. Das „Kopftuchverbot“ für Volkschülerinnen und erst Recht für Ältere ist schlicht verfassungswidrig. Auch das hat man eigentlich schon vorher gewusst. Statt jungen Mädchen das Selbstbewusstsein auf den Weg mitzugeben, über sich selbst bestimmen zu können, hat man damit die wenigen, die es überhaupt betraf (die Zahl der Volkschülerinnen mit Kopftuch ist tatsächlich enden wollend) nur zwischen zwei Verbotskulturen in die Zwickmühle genommen. Selbstbewusstsein vermittelt man auf diesem Weg nicht. Damit ist auch der Traum, mit diesen Verboten im nächsten Schritt die 10-14jährigen zu beglücken, wenigstens ausgeträumt. Nur noch nicht in Oberösterreich, wo türkisblau immer noch mit blau koaliert. Aber die Verfassung gilt zum Glück auch dort.
Hanno Loewy ist Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems.
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