Im ersten Drittel
Auf ein Lockdown folgt der nächste und damit gehen wachsende Zumutungen einher. Aus der „Wiederauferstehung“ nach Ostern 2020 ist nichts geworden, eine Rückkehr zur Normalität im Sommer 2021 wird es nicht geben. Wir befinden uns wohl erst im ersten Drittel der Krise: Bis eine Mehrheit geimpft ist, wird es dauern. Und damit werden lediglich die gesundheitlichen Herausforderungen auf ein bewältigbares Maß beschränkt sein. Die wirtschaftlichen Einbrüche werden frühestens in zwei Jahren wettgemacht sein, bei der Arbeitslosigkeit könnte es noch länger dauern. Womit klargemacht wäre, dass es zu einfach ist, zu meinen, es müssten sich nur alle ein bisschen einschränken, damit wir das schaffen: Wer keinen Job und kein Vermögen hat, der kann das nicht; es gibt kein Weniger-als-nichts.
Nicht nur, aber vor allem die Politik ist gefordert, Kursänderungen vorzunehmen. Sie allein ist dazu in der Lage, das wirkungsvoll zu tun. Schluss damit, dass etwa Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu gerne sich selbst am wichtigsten ist: Diese Woche ließ er nach einem „Call“ (Telefonat) mit einem Pharmakonzern verkünden, Österreich erhalte bis Ende März 900.000 Impfdosen; als hätte er das ausbedungen. Dabei waren diese Impfdosen bereits vorher fix und zumindest Insidern bekannt gewesen, um Organisation und Aufteilung kümmert sich zudem die EU. Wenn Kurz Leistungen würdigen möchte, dann die der Bediensteten in den Spitälern; was sie tun, ist übermenschlich.
Wichtig wäre auch eine stärkere Ausrichtung auf die quälende Dauer dieser Pandemie: Dass die Regierung laufend Maßnahmen korrigieren muss, kann man ihr grundsätzlich nicht vorwerfen. Die Entwicklungen sind unberechenbar. Umso mehr aber müssten Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Kurz aufhören, immer wieder auch allzu großen Optimismus bis hin zu einem „Licht am Ende des Tunnels“ zu vermitteln. Das macht nichts leichter, sondern jede Verschärfung, die dann doch wieder nötig ist, noch schmerzlicher: Gehen wir stattdessen vom Schlimmsten aus. Planen wir keine Reise und auch kein großes Fest. Tun wir das erst, wenn es plötzlich doch geht. Das würde überraschende Freuden ermöglichen und andauernden Enttäuschungen ein Ende bereiten.
Die Politik muss parallel dazu eine Umverteilung von Steuern und staatlichen Leistungen angehen – von denen, die den Gürtel noch enger schnallen können, zu denen, die schon am Zahnfleisch nagen. Das wäre ein Gebot der Solidarität und der Vernunft: Es wäre ein Mittel gegen gesellschaftliche Verwerfungen mit unabsehbaren Folgen.
„Die wirtschaftlichen Einbrüche werden frühestens in zwei Jahren wettgemacht sein.“
Johannes Huber
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Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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