Viel mehr Sterbefälle als in gewöhnlichen Jahren

In Vorarlberg starben in der ersten Dezemberwoche 106 Menschen. Das ist ein trauriger Höchstwert.
SCHWARZACH 5127 Kerzen brannten am Freitagnachmittag auf dem Wiener Stephansplatz: „Hinter jeder steht immer ein Mensch“, hieß es seitens der im Frühjahr von der Caritas ins Leben gerufenen Initiative „füreinand“. Genauer: Die 5127 waren allen gewidmet, die in Österreich an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben sind. Gestern Nachmittag hätten es bereits um 224 Kerzen mehr sein müssen; das Gesundheitsministerium erhöhte die Zahl der Sterbefälle auf 5351.

Das sind so viele, dass Mathematiker von einer sogenannten „Übersterblichkeit“ sprechen. Sie meinen damit, dass auch insgesamt deutlich mehr Menschen sterben als in gewöhnlichen Jahren. Statistik Austria hat nun die Angaben für die erste Dezemberwoche veröffentlicht: „Die Zahl sämtlicher Sterbefälle brach erneut einen traurigen Rekord.“ Mit 2536 sei sie bundesweit um 58 Prozent über dem Durchschnitt der gleichen Kalenderwoche von 2015 bis 2019 gelegen, so Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas.
Verdoppelung
In Vorarlberg ist die Abweichung noch größer, wie eine Auswertung der Angaben nach Bundesländern ergibt: Von 30. November bis 6. Dezember gab es hier 106 Sterbefälle. Das waren zwei Mal, also um 100 Prozent mehr als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. 2015 bis 2019 waren es laut Statistik Austria 53 gewesen. Schon in der letzten Novemberwoche hatte es in Vorarlberg heuer extrem viele Sterbefälle gegeben, 104 nämlich.
Die Situation auf den Intensivstationen ist nach wie vor angespannt.
Rudolf Anschober, Gesundheitsminister
Die Datenbank der Statistik Austria reicht zurück bis ins Jahr 2000. Mehr als 100 Fälle in sieben Tagen hat es demnach seither überhaupt noch nie gegeben im Land. Schon gar nicht im Herbst. Die meisten Sterbefälle ereignen sich in Abhängigkeit der saisonalen Grippe im Winter. Die bisherigen Spitzenwerte von 91 und 95 fielen auf die erste Jänner- und die erste Februarwoche 2017. Die Corona-Infektion ist besonders für Männer und Frauen, die aufgrund einer bereits bestehenden Erkrankung geschwächt oder sehr alt sind, lebensgefährlich. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie eine Infektion überleben. Das kommt auch bei der Entwicklung der Sterbefälle in Vorarlberg zum Ausdruck: Bis in den Herbst hinein starben im Land jede Woche rund 50 ab 65-Jährige. In der letzten Novemberwoche handelte es sich um 94, in der ersten Dezemberwoche um 92. Bei unter 65-Jährigen bewegte sich die Zahl dagegen relativ stabil zwischen sieben und 14.
Verzehnfachung
Für Vorarlberg wurden gestern 200 Corona-Todesfälle ausgewiesen. Von der ersten zur zweiten Welle ist es damit zu einer Verzehnfachung gekommen. Ende November, Anfang Dezember handelte es sich um bis zu 33 pro Woche. Dass es trotz nachlassender Infektionen so viele geblieben sind, überrascht Experten nicht. Der Mediziner Armin Fidler bestätigte den VN, dass Erkrankungen immer auf Ansteckungen beruhen, die länger zurückliegen. Auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sieht vor diesem Hintergrund keine Entspannung: „Die Situation auf den Intensivstationen ist nach wie vor angespannt, wir sehen weiterhin eine Überlastung. Auch die Todesfälle sind viel zu zahlreich“, warnte er vergangene Woche.
Mehr als Schweden
Internationale Vergleiche bestätigten dies: Laut „Europäischem Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten“ gab es in Österreich in den vergangenen zwei Wochen 16,9 Corona-Todesopfer pro 100.000 Einwohner. Das waren mehr als in den meisten anderen europäischen Ländern, darunter auch Deutschland (6,9) und Schweden (4,3), das im Frühjahr ungleich mehr zu beklagen hatte. Härter noch als Österreich trifft es derzeit Kroatien (22,8), Ungarn (23,6), Slowenien (25,8) und Bulgarien (26,8).
