Angelika zerbrach nicht am Tod ihres Kindes

Seit dem Tod ihres Kindes hat Angelika Müller eine Mission. Sie möchte die Gesellschaft aufrütteln in Sachen Ertrinkungstod und Kindersicherheit.
Vandans Die gelernte Gastronomiefachfrau Angelika Müller (53) arbeitete viele Jahre mit Begeisterung in der Mineralölbranche. Ihr Mann Markus und sie betrieben drei Tankstellen. „Nach 18 Jahren wurde es mir aber zu eintönig.“ Deshalb wollte die dreifache Mutter beruflich neue Wege gehen. Doch nicht sie, sondern das Leben stellte dann die Weichen.
Am 3. Juni 2009 geriet das Leben der Familie Müller aus den Fugen. Silvan, das jüngste Kind der Müllers, fiel in den Teich der Nachbarn. Das zweijährige Bübchen konnte reanimiert werden, trug aber Gehirnschäden davon. Von einem Tag zum andern hatte Mutter Angelika ein schwerstbehindertes Kind, das Intensivpflege benötigte. „Die erste Zeit nach dem Unfall befand ich mich in einem Schockzustand. Meine Gefühle fuhren Achterbahn. Ich war wütend auf mich, auf Gott, auf die Ärzte, auf alles, was mir in die Quere kam, auch auf das Leben.“
Aber die Montafonerin gab nicht auf. Ihr Glaube an Gott ermutigte sie, weiterzumachen und an eine bessere Zukunft zu glauben. Jahrelang dachte sie, das ihr Sohn wieder gesund wird. „Das gab mir Antrieb. Wenn ich das für mich nicht geglaubt hätte, dann wären wir beide, Silvan und ich, untergegangen.“ Nach fünf Jahren wandelte sich die Hoffnung in Akzeptanz um. „Eines Tages kapierte ich, dass es so wie es ist, auch gut ist. Jetzt wollte ich nur noch, dass es Silvan gut geht und er so sein kann wie er ist.“
Silvan wurde immer schwächer
Der Bub wurde von Jahr zu Jahr schwächer. „Seine Kraft ließ nach. Er war fast jeden Monat im Krankenhaus. Mir war klar, dass es dem Ende zugeht.“ Angelika fiel das Loslassen unendlich schwer. Aber kurz vor seinem Tod Anfang Mai 2016 sagte sie zu ihm: „Silvan, du kannst gehen.“
Nach seinem Tod tat sich für die Mutter eine Leere auf. „Das Kind war für mich eine große Aufgabe. Die war jetzt plötzlich weg.“ Weil sie sich für Naturheilverfahren interessierte, machte sie eine Ausbildung zur Naturheiltherapeutin. Ihr Spezialgebiet ist die Kristallenergetik. Jetzt war ihr Leben wieder einigermaßen ausgefüllt.
„Silvan wäre traurig, wenn ich nicht mehr fröhlich wäre und lachen würde.“
Angelika Müller, Mutter von Silvan
Silvans Tod hätte Angelika in eine tiefe Krise stürzen können. Dem war aber nicht so. Denn die Vandanserin entschied sich dafür, trotzdem Ja zum Leben zu sagen. „Du hast die Wahl: Du kannst ins Positive oder ins Negative gehen.Gehst du ins Negative, wird es dunkel um dich. Dann verbitterst du.“ Angelika entschied sich fürs Leben und für die Daseinsfreude. Silvan, so ist sie überzeugt, hätte ganz sicher nicht gewollt, dass sie an seinem Tod zerbricht. „Er wäre traurig, wenn ich nicht mehr fröhlich wäre und lachen würde.“ Nachsatz: „Er lacht mit mir, weil er sowieso immer bei mir ist, in meinem Herzen.“
Viel gelernt durch Silvan
Silvan bzw. der schwere Schicksalsschlag lehrten sie viel. „Es war für mich Lebensschule pur.“ Angelika veränderte sich dadurch als Mensch. „Ich wurde dankbarer, nachsichtiger und mitfühlender.“ Sie möchte nicht, dass Eltern dasselbe Schicksal erleiden und ebenso viel durchmachen müssen. Deshalb hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, die Gesellschaft in Sachen Ertrinkungstod und Kindersicherheit aufzurütteln, damit in Zukunft viele solcher Unfälle vermieden werden. „Und wenn durch mein Engagement nur ein Teich gesichert und eingezäunt wird, dann hat es sich schon gelohnt.“
Angelika verarbeitete das Erlebte in dem Buch „Gestohlenes Leben“. Die Lektüre löst Betroffenheit aus und zeigt drastisch auf, wie gefährlich bereits wenige Zentimeter Wasser für Kinder sein können. Angelikas Mission ist damit aber noch nicht beendet. Künftig möchte sie in Schulen und Kindergärten Vorträge halten und Kinder und Eltern vor den Gefahren warnen, die von Teichen, Pools und anderen Gewässern ausgehen.
Angelika Müller
geboren 30. Mai 1967
Wohnort Vandans
Ausbildung Gastronomiefachfrau
Familie geschieden, ein Sohn, eine Tochter
Hobbys Lesen, Räuchern, Radfahren