Wir brauchen Ruf- statt Fragezeichen!
Immer mehr Überschriften erscheinen dieser Tage mit Fragezeichen am Ende. Nur ein Beispiel aus den VN gestern: Kein Freitesten, kein Massentest? Nun ja, zumindest der erste Punkt ist inzwischen geklärt: Der Lockdown dauert jetzt für uns alle eine Woche länger. Die Bundesregierung reagierte patzig auf die trotzigen Einwände der Opposition. Leidtragende sind die Bevölkerung, der Handel, die Gastronomie und der Tourismus.
Was geplant war als Anreiz, sich testen zu lassen, endete aufgrund mangelnder Vorbereitung und falscher Kommunikation im Streit. So kam es zur Kettenreaktion: Experten beurteilten den epidemiologischen Nutzen des Freitestens negativ. Kulturveranstalter und Gastwirte verweigerten die ihnen zugedachte Kontrollfunktion. Die Opposition sah eine nicht verfassungsrechtlich gedeckte Bevorteilung. Die Bevölkerung fragte sich schlicht: Wo, wann, wie lange und welche Tests?
Fragen über Fragen, ausgelöst durch das chaotische Management der Bundesregierung. Der Zickzack-Kurs bei Corona-App, Ampelregelung und Lockdowns ermüdet im besten Fall, viel häufiger erzeugt er Ärger und Unsicherheit. Wer sich nicht mehr auskennt, will auch keine Regeln einhalten. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass selbst der Politik der Überblick fehlt oder sie uns keine Einsicht geben will. Etwa bei verfügbaren Spitalsbetten, über die Anzahl der Tests sowie das Schicksal der positiv Getesteten oder den erwarteten Lieferungen von Impfdosen.
Mit dem „Freitesten“ hat sich der Bundeskanzler wieder einmal mit einer voreiligen Ankündigung vergaloppiert. So wie mit den Massentests im Winter, dem Umsatzersatz im Herbst, den Einreisekontrollen im Sommer, den drei Gründen, das Haus zu verlassen im Frühjahr. Wenn logische Anschlussfragen nicht sofort beantwortet werden, erschüttert das das Vertrauen. Und Vertrauen ist nicht nur in einer Krise die wichtigste Währung einer Regierung.
Selbst innerhalb der ÖVP bröckelt die harmonische Fassade. Sichtbar, wenn Tirols Landeshauptmann Günther Platter das „Pingpong-Spiel in Wien“ kritisiert und selbst Bildungsminister Heinz Fassmann nicht weiß, ob die Schulen am 18. öffnen. Türkis-Grün verspielt gerade ihre Karten. Ihr Glück nur, dass auf der anderen Seite die Einigkeit der Opposition garantiert nicht lange währt.
In den nächsten Monaten müssen die Fragezeichen weichen. Drei Schritte seien der Regierung dazu empfohlen: 1. Mache einen Plan! 2. Kommuniziere und diskutiere diesen zuerst intern! 3. Erkläre ihn mit klaren und ehrlichen Botschaften! „Freitesten“ in „Eintrittstest“ umzubenennen reicht nicht. Wir brauchen einen Babyelefanten fürs Impfen.
„Die Bevölkerung fragte sich schlicht: Wo, wann, wie lange und welche Tests?“
Kathrin Stainer-Hämmerle
kathrin.stainer-haemmerle@vn.at
FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.
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