In zeitlos schrecklicher Erinnerung

Fall Cain: Schockierendes Verbrechen an einem Kind jährt sich zum zehnten Mal.
Bregenz Es ist eines der unfassbarsten Verbrechen in der Vorarlberger Kriminalgeschichte. „Am Abend des 8. Jänner 2011 ging die Mitteilung ein, dass in Bregenz Vorkloster ein schwer verletztes Kind gefunden wurde“, erinnert sich der damalige Chefermittler Norbert Schwendinger.
Beim Anrufer handelte es sich ausgerechnet um Miloslav M. (25), jenen Mann, auf den sich die Ermittlungen als Verdächtiger in den nächsten Tagen konzentrieren sollten. Der arbeitslose Serbe in Frühpension war der Lebensgefährte der Mutter von zwei kleinen Buben und sollte während ihrer Abwesenheit auf die Kinder aufpassen. Schwendinger: „Als die Beamten der Polizeiinspektion Bregenz am Tatort ankamen, hatte sich Miloslav M. schon abgesetzt, er wurde aber drei Tage später verhaftet.“
Fortlaufende Misshandlungen
Die Beamten trafen stattdessen den 6-jährigen Bruder des kleinen Cain an. Cain selbst lag regungslos in der Wohnung. Das dreijährige Kind erlag seinen schweren Verletzungen, die ihm offensichtlich durch andauernde Misshandlungen zugefügt worden waren. Es war relativ schnell klar, dass Miloslav M. der Peiniger war. Schwendinger: „Der Grund für seine brutalen Misshandlungen, die er auch an Cains Bruder, aber vor allem an Cain vollzog, ist einfach nicht nachvollziehbar. Als der Dreijährige einmal ohne zu fragen ein Joghurt aus dem Kühlschrank nahm, schlug der Täter zu. Meinen Kollegen gegenüber gab Miloslav M. bei der Einvernahme an, er habe nicht gewollt, dass Cain sich zu einem Dieb entwickeln würde.“ Überhaupt sei der Peiniger bei der Vernehmung nicht einsichtig geworden, habe alles verharmlost und die Schuld auf den Kleinen abgeschoben.
„Einzige Trümmerzone“
Bei der Gerichtsverhandlung Ende März 2012 hielt Gerichtsmediziner Walter Rabl im Landesgericht Feldkirch fest: „Der Körper des Kindes war eine einzige Trümmerzone. Ich habe in 30 Jahren nichts Vergleichbares gesehen und hoffe, dass ich auch in Zukunft nie mehr so etwas sehen muss.“
Die schrecklichen Details des gerichtsmedizinischen Gutachtens waren für die Prozessbesucher kaum zu ertragen. Der Serbe wurde vom Schwurgericht nach kurzer Beratung einstimmig des Mordes für schuldig befunden und erhielt eine lebenslange Haftstrafe samt Einweisung in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher. Die Mutter Cains litt selbst unter den Brutalitäten des Beschuldigten, hatte aber Angst und „wollte eben das Beste daraus machen“. Sie wurde später ebenfalls zur Rechenschaft gezogen. Auch sie musste sich schließlich vor Gericht verantworten und wurde wegen Quälens und Vernachlässigens Unmündiger zu 30 Monaten Haft, zehn Monate davon unbedingt, verurteilt.
Cains Tod löste in ganz Österreich tiefe Betroffenheit aus. Am 14. Jänner 2011 gab es beim Molo in Bregenz eine Mahnwache für den ermordeten Buben. An die 1000 Menschen kamen.
Politische Folgen
Die VN initiierten eine Sammelaktion für Cains älteren Bruder. Politisch löste die Tragödie heftige Diskussionen und Kontroversen aus. Ins Visier der Kritik geriet auch die Jugendwohlfahrt. Der „Fall Cain“ führte letztlich zur Einrichtung der sogenannten Eberle-Kommission, benannt nach dem Landesamtsdirektor Günther Eberle. Sie sollte eine umfassende Aufarbeitung der Tragödie in die Wege leiten sowie Empfehlungen für verbesserte Maßnahmen zum Kinderschutz erarbeiten. Die Opposition hatte vehement einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gefordert. Diesen lehnte die Landesregierung ab.
Die erarbeiteten 14 Empfehlungen wurden einstimmig angenommen. VN-GS, HK
„Der Körper des Kindes war eine Trümmerzone. Ich habe nichts Vergleichbares gesehen.“