Falsche Polizisten auf der Anklagebank

Wien Am Donnerstag ist am Wiener Landesgericht gegen Protagonisten einer Bande verhandelt worden, die seit 2018 in Wien ihr Unwesen treibt. Die Opfer werden mit dem Polizistentrick hinters Licht geführt. Mindestens 4,5 Millionen Euro haben die Kriminellen damit erbeutet. Bisher sind in dieser Sache nur einige „Geldabholer“ verurteilt worden, nun hatten sich die Mutter und die Schwester des Bandenchefs sowie vier Mitangeklagte vor einem Schöffensenat zu verantworten. Während sich die Mittäter großteils umfassend geständig zeigten, bestritten die 55 bzw. 26 Jahre alten Frauen jede Verantwortung. Kurz nach 16.30 Uhr kollabierte die 55-Jährige im Verhandlungssaal erstmals, bei der Urteilsverkündung ein zweites Mal. Sie und ihre Tochter fassten wegen Geldwäsche und krimineller Vereinigung jeweils drei Jahre unbedingt aus. Ihre Verteidigerin Astrid Wagner legte dagegen Rechtsmittel ein.
Von Vorarlberg nach Istanbul
Die Mutter versicherte, sie wäre nur ihrer Witwenpension wegen nach Österreich gekommen. Geld aus den Betrügereien habe sie nicht entgegengenommen, sie habe auch keine Wertsachen in die Türkei geschafft. Ihr Sohn, der lange Zeit in Vorarlberg gelebt hat, soll vom Raum Istanbul aus das kriminelle Geschehen steuern. Mittels computertechnisch veränderter Rufnummern werden gezielt Senioren angerufen, deren Vornamen auf ein entsprechendes Alter hinweisen. Den Opfern werde am Telefon weisgemacht, in der Nachbarschaft sei eingebrochen worden, bei den festgenommenen Dieben habe sich eine „Einbruchsliste“ gefunden, auf der sich auch ihr Name samt Adresse befände. In Dutzenden Fällen haben Betroffene den falschen Polizisten, die wenige Minuten nach derartigen Telefonaten tatsächlich anklopfen, ihren Schmuck und ihre finanziellen Reserven übergeben. Der „Strippenzieher“ kann von der heimischen Justiz vorerst nicht behelligt werden, da er es tunlichst vermeidet, türkischen Boden zu verlassen. Allerdings konnten seine Mutter und seine Schwester festgenommen werden, die Ende Februar 2020 nach Wien reisten, um laut Anklage Beutestücke zu übernehmen. Die beiden sollen sich schon 2019 in einem Flieger nach Belgrad begeben haben, um dort eine „Großlieferung“ der in Wien erbeuteten Preziosen entgegenzunehmen.