Mehr Todesfälle durch Corona

Bei Männern ist die Zahl in Vorarlberg um 15,9, bei Frauen um 10,5 Prozent gestiegen.
Schwarzach Die Pandemie hat im vergangenen Jahr zu mehr Todesfällen und zu einem Rückgang der Lebenserwartung geführt. Das zeigen vorläufige Zahlen, die die Statistik Austria gestern veröffentlicht hat. Der Bevölkerungsexperte Wolfgang Lutz geht davon aus, dass sich die Entwicklung allmählich ausgleichen wird. Dabei gebe es jedoch einen Unsicherheitsfaktor: Langzeitschäden, die eine Erkrankung hervorrufen kann, wie Lutz im VN-Gespräch erläutert.
Über österreichweitem Schnitt
Die Standesämter haben der Statistik Austria für das vergangene Jahr bisher 90.123 Sterbefälle österreichweit gemeldet. In den nächsten Wochen könnte es noch zu Nachmeldungen kommen. Der vorläufige Wert allein ist aber schon um 10,9 Prozent höher als im Durchschnitt der vorangegangenen fünf Jahre.
In Vorarlberg ist der Zuwachs noch höher. Hierzulande wurden 2020 3324 Sterbefälle registriert. Das waren um 13,1 Prozent mehr, wobei es erhebliche Unterschiede nach Geschlecht gibt: In den fünf Jahren bis einschließlich 2019 starben durchschnittlich 1429 Männer. 2020 waren es mit 1656 um 227 oder 15,9 Prozent mehr. Bei den Frauen stieg die Zahl um 159 oder 10,5 Prozent auf 1668.
Der Zusammenhang mit der Pandemie ist offensichtlich. Corona ist für Ältere und unter ihnen wiederum Männer am gefährlichsten: Im Falle einer Erkrankung ist bisher jeder vierte über 85-Jährige gestorben, so die staatliche Gesundheitsagentur AGES. Bei hochbetagten Frauen ist der Anteil mit 16 Prozent niedriger. Die Gesundheitsagentur geht davon aus, dass 2020 insgesamt 226 Menschen in Vorarlberg an oder mit Corona gestorben sind. Die meisten sind der zweiten Welle zum Opfer gefallen. In den sechs Kalenderwochen vom 2. November bis zum 13. Dezember gab es mit 20 bis 35 Todesfällen wöchentlich mehr als während der gesamten ersten Welle im Frühjahr (19).
Das hat auch zu einer deutlichen Übersterblichkeit vor Weihnachten geführt. Mit bis zu 94 pro Woche sind hier fast doppelt so viele über 65-Jährige gestorben wie im Durchschnitt der vorangegangenen fünf Jahre. Bei unter 65-Jährigen gab es dagegen keine signifikante Abweichung.
Geringere Lebenserwartung
Eine Folge dieser Entwicklung ist, dass die Lebenserwartung gesunken ist. Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas geht von einem halben Jahr auf 78,9 Jahre bei Männern und 83,7 Jahre bei Frauen aus, die in Österreich leben. Regionale Differenzierungen wurden keine vorgenommen. In Vorarlberg ist die Lebenserwartung grundsätzlich etwas höher.
Wolfgang Lutz, Leiter des Instituts für Demographie an der Akademie der Wissenschaften, glaubt, dass sich die Entwicklungen wieder ausgleichen werden: „Wenn es deutlich mehr Sterbefälle gibt, folgt meist ein, zwei Jahre darauf eine Gegenbewegung mit weniger Sterbefällen.“ Nach extrem starken Grippewellen habe man das festgestellt. Auch bei der Lebenserwartung wäre das möglich. Hier gebe es jedoch eine Unbekannte: „Wie wirken sich schwere Erkrankungen aus? Langzeitfolgen sind nicht klar.“ Im schlimmsten Fall könnten sie dazu führen, dass Betroffene weniger alt werden: „Das könnte ein Dämpfer sein.“
Auch wenn es bei den Sterbefällen immer wieder größere Schwankungen gibt, spricht sich Lutz dagegen aus, den jüngsten Anstieg herunterzuspielen: Es sei gut, dass davon berichtet werde. „Das trägt vielleicht dazu bei, dass Unbekümmerte die Pandemie doch noch ernst nehmen.“ JOH
„Wie wirken sich schwere Erkrankungen aus? Langzeitfolgen sind nicht klar.“