Dauernd down
Erinnern Sie sich noch an früher, als wir die Lockdowns und Wellen nummeriert haben? Klar, wir sind jetzt in Lockdown 3, haben wir naiv gesagt. Jetzt ist wieder einmal nahezu allen klar, was die Bundesregierung am Wochenende amtlich machen wird. Wir kommen nicht aus dem Lockdown heraus. FFP2-Masken werden unsere neuen Begleiter werden. Die Ehrfurcht vor der Vermehrungsfähigkeit der britischen Mutation ist so groß, dass Epidemiewellen keine Rolle mehr spielen. Wir sind jetzt in der Dauerwelle angekommen, sozusagen.
Alle wissen, mit dem derzeitigen, angeblich harten Lockdown lassen sich die Zahlen so einigermaßen unter Kontrolle halten – Wunder wirkt das alles nicht. Einerseits ist die Disziplin nicht mehr so, wie sie einmal war, und andererseits steht ohnedies die aggressive B117-Variante vor der Haustüre bzw. ist schon mitten unter uns. An vielen Beispielen lässt sich ablesen, was passiert, wenn der Lockdown beendet wird: die Zahlen gehen nach oben – am raschesten bislang in Irland, wo sich die Infektionszahlen innerhalb von drei Wochen verzehnfacht haben. Von Inzidenz 70 auf 929 pro 100.000 Einwohner in 20 Tagen. Nicht nur in der Politik herrscht Irland-Angst.
Nur die optimistischsten Optimisten sagen Sätze wie “treffen wir uns, wenn die Gastronomie wieder offen hat” – denn die traurige Wahrheit ist, dass wir unseren Espresso noch länger alleine zuhause schlürfen werden, als uns lieb ist.
Am wichtigsten ist die Bildung. Schulen wollen öffnen: voll, halb, im Schichtbetrieb? In der Nacht wurde klar: ob sie überhaupt öffnen können, ist erneut völlig unsicher. Die klugen Testvorhaben von Bildungsminister Heinz Faßmann sollten ein Zeitfenster schaffen, in dem die Schulöffnung versucht werden kann. Die Virusmutation könnte dieses Fenster nun schließen.
Von Öffnungsschritten im Handel rückt man von Stunde zu Stunde weiter ab. Hieß es erst, FFP2-Masken könnten eine Öffnung ermöglichen, sah es am Abend mehr danach aus, als ob die FFP2-Masken kommen, aber der Handel dennoch geschlossen bleiben könnte.
Die Hotellerie ist als Gesamtpaket epidemiologisch einfach zu unkalkulierbar: verhältnismäßig unproblematische Übernachtungen stehen kuscheligen Stuben und Wellnessbereichen entgegen.
Vielerorts wird „Planungssicherheit“ gefordert, kein Hin und Her. In einer Pandemie gibt’s keine Planungssicherheit, leider. Aber am sichersten wäre, davon auszugehen, dass wir in einer Art andauerndem Notbetrieb sind. Es wird noch einige Wochen, Monate extrem wenig möglich sein, weniger als bisher. Das ist unpopulär auszusprechen, doch wird das auch von Bundeskanzler Sebastian Kurz, Gesundheitsminister Rudi Anschober und Landeshauptmann Markus Wallner ausgesprochen werden müssen.
Politische Priorität auf der Impfung ist weiterhin goldrichtig, die Vorarlberger Impfgeschwindigkeit darf kein bisschen nachlassen. Die britische Mutation des Coronavirus wird erwartbar schneller um sich greifen, als wir den Impfstoff ins Land bekommen.
Mit jeder Corona-Impfung kommen wir der viel ersehnten Freiheit näher.
Gerold Riedmann
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Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.
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