Coronaquarantäne und Maskomanie

Der Maler Edgar Leissing aus Bregenz über seine Arbeit im Lockdown.
Bregenz Die VN-Heimat präsentiert Maler und Bildhauer aus dem Bezirk Bregenz und ihre Arbeit. Der ursprünglich aus der Grafik und Fotografie kommende Bregenzer Künstler Edgar Leissing hatte vor rund 40 Jahren begonnen, Abbilder seiner Schwarz-Weiß-Foto-Negative zu malen, „weil die Entwicklung und Vergrößerung in Farbe damals unheimlich teuer war“, erzählt er. „Das Malen mit selbst gemischten Ölfarben war viel billiger.“ Die ersten Leinwände bekam er aus dem Nachlass des Künstlers Hubert Berchtold und später übermalte er die alten Bühnenbilder des „Fest des Kindes“ der Bregenzer Festspiele, wo er jahrelang als Workshopleiter tätig war. Mittlerweile ist Leissing einer der bekanntesten Vorarlberger Maler.
Wer nicht wagt, der . . .
Jeder Künstler stellte sich schon beim ersten Lockdown die Frage: „Wie geht es jetzt weiter? Wie kann ich die ausgefallenen Aufträge und Kurse kompensieren?” Leissings Ehefrau Angela hatte die Idee: „Auch Kunst kann online stattfinden.“ Und so hat der Künstler aus seinem Archiv Aktfotos der letzten 15 Jahre entnommen und täglich eine Bleistiftzeichnung angefertigt und mit einer farbigen Maske versehen. 77 Bilder wurden zu einem Pandemie-Sonderpreis online gestellt und alle bis auf eines verkauft. Mit Lieferservice zugestellt in Vorarlberg bis zwei Meter vor die Haustür, und nach Wien, Niederösterreich und in die Steiermark per Post. „Meine Zeichnungen zeigen nackte Menschen, nur Mund und Nase sind bedeckt. Im Normalfall sind wir am ganzen Körper bekleidet, das Gesicht ist frei. Diese Umkehrung finde ich sehr reizvoll“, erklärt der Künstler. Mit den schrittweisen Lockerungen der Regierung Ende Mai ließ Leissing auch langsam sein Projekt auslaufen. Das Vorarlberg Museum wollte auch noch ein Bild für die Gemeinschaftsausstellung „Shutdown. Vorarlberg und Corona“. Sie nahmen das Übriggebliebene. Es ist nun mit einem Plakat mit allen 77 Motiven im Atrium zu sehen.
Künstlerporträts
Im zweiten Lockdown begann Edgar Leissing eine neue Serie mit Porträts, nicht mehr täglich, aber in sporadischen Abständen, zu sehen auf Facebook. Die letzten drei Jahre orientierte sich Leissing in seiner Arbeitsweise weg vom menschlichen Körper hin zum Gesicht, zum Portrait. Er fotografiert und zeichnet Musiker, Schauspieler, Autoren und Künstler. „Ich muss zugeben, die Akte haben sich besser verkauft – die Porträts sind vielleicht zu persönlich, spielen aber um so mehr mit verdeckter Mimik die nur noch in den Augen erkennbar ist“, erzählt der Künstler, dessen große Ölbilder außergewöhnliche Körperverschmelzungen darstellen.
Körperverschmelzungen
„Meine Bildkompositionen entstehen zuerst am Computer, ich verschmelze puzzleartig jeweils zwei Fotos, die nichts miteinander zu tun haben. Heraus kommt etwas faszinierend Sinnzertrümmerndes“, erklärt Leissing. Die digitale Fotocollage wird dann in Öl auf die Leinwand übertragen. Vor der Fertigstellung der Arbeiten holt der Künstler immer die Meinung einer „Zweitbegutachterin“ ein, seiner Frau Angela, die nocheinmal kritisch das Bild beurteilt und auf eventuelle Mängel verweist. „Der gemeinsame Austausch ist mir sehr wichtig. Es tut gut, wenn man in einem einsamen Beruf eine Verbündete hat“, so Leissing.
Die Bilder von Leissing, die Gesichter und die Körper drücken Emotionen aus, rufen im besten Fall Gefühle beim Betrachter hervor. „Wenn ich Kunst betrachte, muss mich ein Bild berühren, in seinen Bann ziehen. Leider verschwindet der Mensch immer mehr aus der aktuellen Kunst und versteckt sich hinter Abstraktionen“, so Leissing. yas

