Das Ehrenamt in aller Breite diskutieren

Geht es nach Christoph Thoma sollen schon jetzt die Weichen für die Zeit nach der Pandemie gestellt werden.
Bludenz Die Bereitschaft, sich freiwillig zu engagieren, ist in Vorarlberg ausgesprochen stark ausgeprägt. Laut einer aktuellen Studie des Forschungszentrums für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der FH Vorarlberg sind deutlich mehr als die Hälfte, nämlich 55,7 Prozent aller Landesbürger über 15 Jahre freiwillig tätig. Der Bludenzer Landtagsabgeordnete Christoph Thoma, der bis zum Vorjahr als Vereinsstadtrat tätig war, nahm dies zum Anlass für eine Anfrage an Landeshauptmann Markus Wallner. Dabei thematisiert Thoma die Auswirkungen der Coronapandemie auf das Ehrenamt und lotet gleichsam aus, wie das Land den besonders betroffenen Vereinen unter die Arme greift.
Neben den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen brachte die Covid-19-Pandemie auch das Vereinsleben vielerorts komplett zum Erliegen. Wie geht es Ihnen damit?
Thoma Die Situation macht mich sehr nachdenklich. Keine Proben und Auftritte für die Kulturvereine, eingeschränkte Trainingsmöglichkeiten im Sport, aufgrund der Schutzmaßnahmen erschwerte Bedingungen im sozialen Bereich. Besonders schwerwiegend ist die reduzierte Probentätigkeit bei den Blaulichtorganisationen. Zudem bestehen kaum Möglichkeiten für persönlichen Austausch, was jedoch einen wichtigen Faktor für ein gelingendes Vereinsleben und soziale Interaktion darstellt.
Warum sind Ihnen das Vereinswesen und das Ehrenamt so wichtig?
Thoma Laut einer Studie des Forschungszentrums für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der FH Vorarlberg sind deutlich mehr als die Hälfte aller Vorarlberger freiwillig tätig. Unser Gemeinwesen wäre schlichtweg nicht denkbar, wären nicht viele aus freiem Entschluss bereit, sich in Vereinen, religiösen Gemeinschaften, Parteien, Verbänden oder karitativen Organisationen für eine am Gemeinwohl orientierte Aufgabe zu engagieren.
Sie waren in den vergangenen Jahren in Ihrer Funktion als Vereinsstadtrat im regen Austausch mit den hiesigen Vereinen. Wie würden Sie die Bereitschaft für das ehrenamtliche Engagement bezeichnen?
Thoma Die ist nach wie vor sehr hoch, aber das Ehrenamt wandelt sich grundsätzlich. Man bindet sich heute nicht mehr dauerhaft, der Trend geht zu Projekten, zu Engagement auf Zeit. Abgesehen davon verändert sich auch die Arbeitswelt, was auch Folgen für das Vereinsleben hat. Trotzdem sehen viele Menschen in Vereinen die Chance für Ausgleich, für Stressabbau und pflegen damit auch Freundschaften.
Hat sich dies im Laufe der Pandemie gewandelt?
Thoma Im Gegenteil! Es gibt eine große Bandbreite an gesellschaftlichen Herausforderungen, welche ohne freiwilliges Engagement nicht funktionieren würden. Das zeigt auch die Pandemie, sei es bei den Flächentestungen, in der Sozialarbeit oder der Nachbarschaftshilfe.
Wird das Ehrenamt hierzulande ausreichend gewürdigt bzw. wie sollte das Ehrenamt Ihrer Meinung nach gestärkt werden?
Thoma Es kann immer noch mehr geben. Ich hatte schon als Stadtrat das Ziel, Vereinen, beispielsweise dem Nachwuchs der Blaulichtorganisationen oder den Chören, eine Bühne zu bieten. Wir müssen das Bewusstsein für die hohe Qualität des Ehrenamts immer weiter stärken. Hier sind auch die Kommunen gefordert, dementsprechende Formate anzubieten.
Welche Art der Unterstützung kann bzw. soll das Land den Vereinen anbieten?
Thoma Gerade im Sport- und Kulturbereich braucht es jetzt Nachwuchs. Eine Landes-Kampagne für Kreativität und Bewegung erachte ich jetzt als angebracht. Beides sind übrigens Standortfaktoren! Und es muss uns gelingen, Vereine in Sachen Digitalisierung zu empowern. Vielleicht könnten hier auch Städte und Gemeinden Weiterbildungs- und Unterstützungsprogramme anbieten.
Sie haben eine Anfrage an Landeshauptmann Wallner zum Ehrenamt gerichtet. Warum gerade jetzt?
Thoma Das ist das Wesen von Parlamentarismus. Der Landtag hat die Pflicht und die Aufgabe, die Arbeit der Landesregierung immer wieder zu hinterfragen. Wir brauchen gesellschaftliches Miteinander, Dialog und Treffpunkte. Die Pandemie isoliert viele Menschen, diese ziehen sich zurück, was für die Bekämpfung des Virus unumgänglich ist. Jetzt gilt es jedoch, die Weichen für die Zeit nach der Pandemie zu stellen.
Was erwarten Sie sich von Ihrer Anfrage?
Thoma Die gesamte Landesregierung arbeitet unermüdlich an der Bekämpfung dieser weltweiten Krise. Mir persönlich ist es wichtig, nicht alles für selbstverständlich zu erachten, gerade jetzt! Daher ist es nur gut, wenn wir das Ehrenamt in aller Breite diskutieren, ähnlich wie wir das mit dem Arbeitsmarkt und dem Wirtschaftsstandort tun.
Zur Person
Christoph Thoma
Geboren 1973
Familie verheiratet mit Elke, zwei Töchter (11 und 9 Jahre)
Beruf studierter Musiker, von 2002 bis 2016 bei der Jeunesse in Wien, Bludenz Kultur, Grazer Spielstätten, Bregenz Tourismus & Stadtmarketing, seit 2017 mit CULTURELAB und der Stadtmanufaktur selbstständiger Berater und Projektmanager
Hobbys Sport (Nordic Walken, Wandern, Skifahren, Tennis), Lesen sowie Kunst und Kultur in aller Vielfalt