Beschränkungen wirken weniger

Vorarlberger sind wieder mehr unterwegs: Dauer des Lockdowns wird zum Problem.
SChwarzach Die Mobilität in Vorarlberg entwickelt sich ganz anders als sie es zur Corona-Bekämpfung tun sollte: Nach einem feiertagsbedingten Einbruch über Weihnachten und Neujahr ist sie zuletzt auf ein relativ hohes Niveau geklettert. Für die Bereiche „Einzelhandel und Freizeit“ weisen Google-Daten im siebentägigen Schnitt um 66 Prozent weniger Betriebsamkeit aus als vor Beginn der Pandemie. Bei „Bahnhöfen und Haltestellen“ sind es um 49 und bei „Arbeitsstätten“ nur um 34 Prozent weniger. Das sind zwar Rückgänge, aber nicht so große, wie sie mitten in einem Lockdown sein sollten und wie sie im vergangenen Frühjahr oder zum Teil auch im November waren. Im März beliefen sie sich auf 54 bis 80 Prozent. Sie waren also viel größer.
Nicht einfach auszuhalten
Mobilität ist ein wichtiger Faktor bei der Corona-Bekämpfung: Wenn sie stark zurückgeht, deutet das darauf hin, dass die Masse eher zu Hause bleibt; damit kommt es zu weniger Kontakten und auch Ansteckungsmöglichkeiten.
Thomas Czypionka, Gesundheitsexperte am Institut für Höhere Studien (IHS), findet die Entwicklungen in Vorarlberg alarmierend, aber wenig überraschend: „Die Leute halten die Beschränkungen immer weniger aus.“ Dazu komme, dass Ausnahmen verhängnisvoll sein könnten: „Wenn man sieht, dass sich andere beim Skifahren vergnügen, fragt man sich, warum man sich selbst zurückhalten sollte. Das müsste zumindest erklärt werden.“ Czypionka sieht außerdem Hinweise auf „Hinterzimmerpartys“: „Die Umsatzeinbußen der Sektindustrie betragen 50 Prozent. Weil es keine Gastronomie und auch keine größeren Feiern mehr gibt, müssten sie fast 100 Prozent betragen. Die Leute scheinen jedoch auszuweichen. Epidemiologisch ist das ganz schlecht.“
Viel zu hohe Fallzahlen
In einem offenen Brief, der im Dezember von der medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht wurde, forderte Czyionka mit bekannten Kolleginnen wie der Virologin Isabella Eckerle und der Physikerin Viola Priesemann einen wirklich harten Lockdown. Heute fühlt er sich bestätigt: „Nach drei Wochen könnten die Fallzahlen sehr niedrig sein, und drei Wochen rigorose Beschränkungen wären eher verkraftbar als monatelange mit zahlreichen Ausnahmen, bei denen die Fallzahlen noch dazu viel zu hoch bleiben.“
Gefordert haben Czypionka und Co. eine Reduktion der Neuinfektionen auf weniger als sieben pro 100.000 Einwohner und Woche. Aktuell liegt Vorarlberg bei 192 und ganz Österreich bei 119.
Gefährdung durch Mutation
In einem neuen „Lancet“-Beitrag drängen die Wissenschaftler auf einen länderübergreifenden, europäischen Kraftakt. Begründung: Durch die Mutation B117 könnte es dazu kommen, dass eine infizierte Person statt einer durchschnittlich 1,4 weitere Personen ansteckt. Außerdem warnt Czypionka: „Mit der Zahl der Infizierten steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu weiteren Mutationen kommt.“ JOH
„Drei Wochen rigorose Beschränkungen wären eher verkraftbar.“