Bezirksgericht: „Cooler Bahnhofstyp“ staubte Drahtesel ab

65-Jährigem wurde das sechste Fahrrad gestohlen. Doch er nimmt’s gelassen.
Dornbirn Gleich vorweg: Der beschuldigte Fahrraddieb selbst erscheint nicht zur Verhandlung am Bezirksgericht Dornbirn. Sehr wohl aber sein Opfer, ein 65-jähriger Mann, der Richter Frank Plasinger schon gleich mit seiner ersten Frage etwas zu verwundern vermag: „Wofür bin ich hier eigentlich Zeuge?“, will er wissen.
„Sie sind der Geschädigte“, macht ihn der Richter auf den Zweck seiner Ladung aufmerksam. „Ach so, aber ich habe doch gar keine Anzeige erstattet“, erwidert der ältere Herr. Allerdings hatte eine Videokamera die dreiste Tat am Bahnhof Dornbirn aufgezeichnet und die Polizei schritt zur Tat.
Der 65-Jährige ist ein seltsamer, außergewöhnlicher Zeuge. Ist er verwirrt, etwas geistig angeschlagen oder betrunken? Es lässt sich nicht enträtseln. „Sagen Sie, Herr Richter, ich bin zu Fuß hierher zur Verhandlung gelaufen. Wird das auch verrechnet?“, fragt er. „Nein, es sei denn, Sie haben Ihre Schuhsohlen abgelaufen“, scherzt Richter Plasinger zunächst, erklärt dann aber: „Nein, so spendabel ist der Bund nicht. Ersetzt wird nur der Aufwand für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel.“
Nicht abgesperrt
Zur Tat selbst: Der Geschädigte kann sich nur schwach an den Beschuldigten erinnern. Irgend so ein “Bahnhofstyp“ mit oranger Hose sei es gewesen. „Also ich stand da und quatschte mit jemandem, da stahl der Mensch mir keine 50 Zentimeter hinter meinem Rücken plötzlich mein Fahrrad weg . . . so cool musst du erst mal sein, he!“, schmettert der 65-Jährige dem Richter ins Gesicht.
Anschließend sei der Dieb in Richtung Ache gebraust. „Mensch, hatte der einen Zahn drauf! Ich habe noch nie erlebt, dass jemand mit einem solchen Affenzahn mit einem Fahrrad unterwegs ist – außer mir selbst! Ich konnte nur noch das Fahrradschloss blinken sehen“, schildert der Geschädigte mit mehr Bewunderung als Zorn. Im Übrigen habe er seinen Drahtesel damals gar nicht abgesperrt. „Ich stamme aus dem Montafon. Und dort sperrt man kein Haus und kein Fahrrad ab“, begründet er.
Richter Plasinger verurteilt den mittlerweile bekannten Fahrraddieb während dessen Abwesenheit zu einer Geldstrafe in Höhe von 480 Euro in 120 Tagessätzen.
„Der arme Hund“
Der 65-Jährige verlässt den Verhandlungssaal. „Sechs!“, ruft er dabei noch zurück, „sechs Fahrräder hat man mir schon gestohlen. Ich weiß nicht, was der arme Hund wollte …“ sagt er und macht sich auf den Nachhauseweg. Zu Fuß, versteht sich.
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