Her mit einem harten Impfgesetz
Wolfgang Matt ist nicht der einzige, aber der bekannteste Bürgermeister, der sich bei der Corona-Impfung vorgedrängelt hat. Den Fehler, den der 65-jährige Feldkircher begangen hat, kann er nicht mehr korrigieren. Zwei Dinge sind ihm jedoch anzurechnen: Im Unterschied zu vielen anderen hat er sich letztlich entschuldigt. Und mit seiner Bereitschaft, vor Hunderttausenden Zuschauern in der „ZIB 2“ Rede und Antwort zu stehen, hat er unfreiwillig, aber doch geholfen, ein Problembewusstsein zu schärfen. Das ist überfällig. Zu vielen ist Covid19 noch immer nur eine lästige Angelegenheit.
Die Pandemie hat bisher zum einsamen und oft qualvollen Tod von über 7000 Menschen in Österreich geführt. Sie hat unendliches Leid bei Angehörigen verursacht, die keine Gelegenheit hatten, sich zu verabschieden. Ohne Lockdowns und Beschränkungen wären es noch viel mehr Opfer geworden. Anderseits aber haben diese Maßnahmen sogenannte Kollateralschäden verursacht: Einer eidgenössischen Studie zufolge ist der Anteil der Bevölkerung mit schweren depressiven Symptomen von drei auf 18 Prozent explodiert; das dürfte ein grenzüberschreitendes Phänomen sein. Allein in Österreich ist im vergangenen Jahr zudem ein gesamtwirtschaftlicher Einbruch von rund 30 Milliarden Euro entstanden. Wobei untergeht, dass eine Masse dafür aufkommen muss; nicht unbedingt in bar, aber durch Arbeitslosigkeit, den Verlust von Einkommen oder Umsätzen oder durch blockierte Berufseinstiegs- und Aufstiegsmöglichkeiten. All das soll deutlich machen, dass die Impfung unbezahlbar ist: Sie hilft, die Gesundheitskrise zu überwinden und damit auch sonst wieder bessere Zeiten einkehren zu lassen. Eine Spritze mag ein paar Euro kosten, in Wirklichkeit ist sie jedoch mehrere Tausend Euro wert.
Vor diesem Hintergrund kann, ja muss man sich maßlos ärgern über die Vordrängler. Man sollte sich aber auch weitergehende Fragen stellen: Seit Monaten ist bekannt, dass es zunächst viel zu wenig Impfstoff gibt. Dem ist jedoch nur durch „Empfehlungen zur Priorisierung von Zielgruppen“ Rechnung getragen worden: Menschen im Gesundheitswesen und in Pflegeheimen sowie ab 80-Jährige sollen demnach Vorrang haben.
Schlitzohrigkeit
Wie gesagt, das ist nur eine Empfehlung: Sie ermöglicht Schlitzohrigkeit, wie sie vom Salzburger Landeshautmann praktiziert wird: Wilfried Haslauer (ÖVP) drückt im Unterschied zu seinem Vorarlberger Amtskollegen Markus Wallner (ÖVP) bei Bürgermeistern ein Auge zu. Das ist ein Freibrief für moralisch verwerfliche Vorgehensweisen. Dem Ernst der Lage wird das jedoch unter gar keinen Umständen gerecht: Das gehört gesetzlich geregelt, inklusive härtester Strafbestimmungen. Allein das wäre angemessen und vor allem auch jenen eine Warnung, die noch überlegen, Beziehungen spielen oder Geld fließen zu lassen, um schneller zu einer Impfung zu kommen.
„Eine Spritze mag ein paar Euro kosten, in Wirklichkeit ist sie jedoch mehrere Tausend Euro wert.“
Johannes Huber
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Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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