Das sind die acht ärgsten Coronavirus-Mythen

Die Faktenchecker von Mimikama klären auf.
Schwarzach, Wien Falschmeldungen sind kein Phänomen des Internets. Doch soziale Medien haben das Problem von Fake-News vervielfacht. Der Verein Mimikama aus Wien setzt sich seit 2011 zum Ziel, Meldungen auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Andre Wolf und seine Kollegen sind Faktenchecker. Seit 2014 ist die Arbeit rasant gestiegen, erklärt er. Mit Corona haben sich die Meldungen noch einmal vervielfacht. Für die VN beleuchtet er die gängigsten Mythen.
Angefangen hat alles vor zehn Jahren, als ein Gründungsmitglied von Mimikama in eine Abofalle auf Facebook tappte und anschließend seine Freunde warnte. „2014 wurden Falschmeldungen deutlich politischer“, erzählt Wolf. Dann kamen immer mehr Flüchtlinge nach Europa und die Zahl der Falschmeldungen stieg. „Viele Meldungen hatten auch einen wahren Kern. Sie wurden allerdings bewusst missinterpretiert oder mit falschen Bildern ausgestattet. Diese bewusste Art der Desinformation nannten wir damals Hybridfälschungen. Am Ende kann es als Fake-News bezeichnet werden.“
Vor einem Jahr tauchte das Virus Sars-Cov-2 auf, und mit ihm verfielfachte sich die Arbeit von Mimikama. „Nicht nur im Bereich des Faktenchecks. Auch die Pressearbeit hat zugenommen. Außerdem waren wir in Österreich im Krisenstab und haben mit dem deutschen Gesundheitsministerium zusammengearbeitet.“ Wolf ist überzeugt: „Die Gefahren von Social Media werden immer noch unterschätzt.“ Nicht zuletzt beim Sturm des Kapitols in Washington war zu sehen, wohin Falschmeldungen und Verschwörungstheorien führen.
Mythos 1: Die Impfung macht Frauen unfruchtbar
Das ist falsch. Laut Andre Wolf taucht dieser Mythos in den vergangenen Tagen vermehrt auf, obwohl er schon lange widerlegt worden ist.Die Wirkung dieser Meldung sei allerdings enorm. Quelle des Mythos ist ein Screenshot aus einem Artikel einer tendenziösen Internetseite, wonach der Impfstoff ein Spike-Protein namens Syncytin-1 enthalte. Es würde eine Immunreaktion auslösen, das die Bildung der Plazenta verhindert. Richtig ist: Der Impfstoff enthält ähnliche Proteine, was ganz normal ist. Laut Mimikama ist es unmöglich, dass sich das Immunsystem so irrt.
Mythos 2: Der Chef von Biontech lässt seine Mitarbeiter nicht impfen
Stimmt nicht. Es ist auf den ersten Blick ein Wahnsinn. Biontech-Chef Ugur Sahin (Bild) soll in einem ARD-Interview gesagt haben: „Nein ich und meine Mitarbeiter werden uns 2021 nicht impfen lassen.“ Er könne sich keine krankheitsbedingten Ausfälle leisten. Mimikama hat die einfachste Art des Faktenchecks angewendet: Das Interview selbst angesehen. Und siehe da: Sahin sagt genau das Gegenteil. Er würde seine Mitarbeiter liebend gerne impfen lassen, damit sie krankheitsbedingt nicht ausfallen. Allerdings kann er das nicht, da sich die Firma natürlich an die rechtlichen Grundlagen zu halten habe.
Mythos 3: Auf Bildern sieht man sowieso, dass die Impfungen alle gefälscht sind. Die Spritzen sind nicht echt
Fake-News! Diese Nachricht entsteht aus dem Widerspruch einer Verschwörungstheorie, die behauptet, Eliten würden sich selbst nicht impfen lassen. Da Bilder von Staats- und Kirchenoberhäuptern beim Impfen aufgetaucht sind (im Bild US-Präsident Joe Biden), musste eine Erklärung her. Die besagt: „Die Impfungen sind gestellt, man sehe das auf den Bildern. Die Spritzen würden neben den Arm gehalten.“ Diese Fotos gibt es tatsächlich. Das hat mit Medienlogik zu tun: Das erste Bild der Impfung war nicht gut, also bittet der Fotograf um einen zweiten Versuch. Der wird dann gestellt.
Mythos 4: PCR-Tests sind falsch. Außerdem zeigt der Cola-Test, dass Antigentests nicht wirklich funktionieren
Hinter den Testmythen stecke eine ganze Reihe an pseudowissenschaftlichen Argumenten, betont Andre Wolf. Zunächst einmal würden viele nicht verstehen, wie diese Tests wirken: Den PCR-Test gibt es seit vielen Jahren, er weist Viruspartikel nach. So etwas wie falsch positive Tests gibt es eigentlich nicht, nur eine Menge an Zyklen, die es braucht, bis sie nachgewiesen werden. Dass selbst ein Nationalratsabgeordneter versucht hat, die Treffsicherheit eines Antigentests zu widerlegen, indem er Cola positiv testet, quittiert Wolf mit einem Kopfschütteln. „Diese Person hat bewiesen, dass Cola diesen Test kaputt macht.“ Man kaufe auch kein Wohnmobil, um darin Essen zu kochen. „Ein Test kann nur dafür verwendet werden, wofür er gemacht wurde.“
Mythos 5: Durch das Tragen von Masken kann es zur CO2-Vergiftung kommen
Nein. Der mittlere CO2-Wert der Einatemluft unter einer Maske liegt, selbst bei höherem Kohlendioxid-Gehalt, bei 0,1 bis 0,2 Prozent. Das ist klar unter dem kritischen Niveau. Auch bei FFP2- und FFP3-Masken ist ein bedrohlicher Anstieg von Kohlendioxid unwahrscheinlich. Mimikama schreibt: „Allerdings könne es bei Menschen mit chronischer Atemschwäche zu vermehrter Atemarbeit und einer Erhöhung des Kohlendioxidanteils kommen, wodurch das Maskentragen als unangenehm oder bedrohlich wahrgenommen werden könne.“
Mythos 6: An der Impfung sterben Menschen
Meldungen von Menschen, die kurz nach einer Impfung gestorben sind, machen die Runde. Auch in Norwegen sind 33 Menschen über 75 Jahren nach einer Impfung gestorben. Ein direkter Zusammenhang besteht allerdings nicht, weder in Norwegen noch woanders: Alle Personen seien bereits schwer krank gewesen, heißt es aus Norwegen. Was allerdings sein kann, ist, dass harmlose Nebenwirkungen bei schweren Vorerkrankungen schwere Reaktionen auslösen.
Mythos 7: Sie töten Kinder
Im Herbst hieß es auf verschiedenen Plattformen noch: Die Masken töten unsere Kinder. Mittlerweile warnen einschlägige Seiten vor den Impfungen mit demselben Argument. Das stimmt natürlich nicht. Die Erzählung von Eliten, die Kinder töten, ist nicht neu, erklärt Wolf. „Man will dem Feindbild etwas Schlechtes umhängen.“ Den Ursprung findet man in uralten Ritualmordlegenden, die es schon im Mittelalter gegeben hat. Außerdem werden Staatspolitiker mit der Erzählung, dass sie Kindern etwas Böses wollen, entmenschlicht, was Angriffe erleichtert. „Es gibt sogar Verschwörungsjünger, die sagen, Angela Merkel ist ein Bioroboter“, erzählt Wolf.
Mythos 8: Für die Impfstoffherstellung werden abgetriebene Föten verwendet
Nein, werden sie nicht. Wie viele Mythen hat diese Meldung allerdings einen realen Ursprung. Dr. Michael Head, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Southampton, erklärt Reuters: „Einige Impfstoffe, darunter auch einige der Covid19-Impfstoffe, verwenden Zellstämme, die von zwei Föten stammen, die in den 1960er Jahren abgetrieben wurden. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Föten nicht (deshalb) abgetrieben wurden. 50 Jahre später verwenden Wissenschaftler Nachkommen dieser ursprünglichen Zelllinie.“