Seelsorger ohne Ablaufdatum

Vor 40 Jahren wurde Erwin Kräutler am Xingu zum Bischof geweiht.
Koblach, altamira Erwin Kräutler war 26 und ein junger Priester, als er an den Xingu reiste. Mittlerweile sind 55 Jahre ins Land gezogen, aber Erwin Kräutler (81) ist immer noch in Amazonien. Sein Eintreten für die Rechte der indigenen Bevölkerung wurde für den inzwischen emeritierten Bischof und Russpreisträger zu einer Lebensaufgabe. Gestern, Montag, feierte er laut Kathpress den 40. Jahrestag seiner Bischofsweihe. Ein paar Monate nach diesem Festakt war Kräutler in die Fußstapfen seines Onkels Erich getreten und hatte die von ihm geleitete Prälatur Xingu übernommen.
Jahrelanger Einsatz
Alt-Bischof Erwin Kräutler hat sein ganzes Wirken dem Schutz der indigenen Bevölkerung gewidmet. Jahrelang setzte er sich aktiv gegen den Bau des Kraftwerks Belo Monte ein und scheut sich auch nicht, den amtierenden brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro scharf zu kritisieren. Im VN-Gespräch zum seinem 80. Geburtstag sprach Erwin Kräutler von Bolsonaro als rechtsextremem Populisten, der Amazonien für ausländische Unternehmen erschließen wolle. Auch für Bolsonaros Umgang mit der Coronapandemie fand der Priester scharfe Worte. Gemeinsam mit anderen Amazonas-Bischöfen hatte er sich erst vergangene Woche an die Regierungsverantwortlichen gewandt und sie aufgefordert, aufzuwachen für die Menschen, „die hier leben und diese Pandemie überleben wollen“.
Unter Polizeischutz
International in die Schlagzeilen geriet Erwin Kräutler 1983, als er bei einer Solidaritätsaktion mit Arbeitern, denen man den Lohn vorenthielt, verhaftet und verhört wurde. Noch schlimmere Folgen hatte vier Jahre später sein Eintreten für die Verankerung der Rechte der Ureinwohner, denn kurz darauf wurde sein Auto von einem Kleinlastwagen gerammt und Erwin Kräutler dabei schwer verletzt. Nach mehreren Morddrohungen steht der Bischof seit 2006 zudem unter Polizeischutz. „Ich kann selbst schwer einschätzen, wie gefährlich die Lage immer noch ist, und ich habe den Schutz auch nicht erbeten. Es ist die Regierung, die ihn ständig verlängert“, sagte Kräutler vor einiger Zeit in einem VN-Interview. Doch der Geistliche sorgt sich nicht nur um die Menschen in Amazonien, sondern ebenso darum, wie diese zu einer Messfeier kommen. Dass wegen des Priestermangels ein großer Teil der abgelegenen Amazonas-Gemeinden nur ein paar Mal im Jahr Eucharistie feiern können, ist aus Sicht des emeritierten Bischofs ein „unerträglicher Zustand“, wie er im Interview mit der Kathpress erklärte.
Da braucht es seiner Ansicht nach neue Wege, die auch verheirateten Männern die Tür zum Priestertum und Frauen zur Diakonweihe öffnen. Wenngleich Bischof Kräutler überzeugt ist, dass die Abschaffung des Zölibats nicht kommt – das sei eine Lebensentscheidung – so findet er doch, dass auch Männer mit Familie einen Zugang zum Weihepriestertum erhalten sollten. In anderen Religionsgemeinschaften gebe es das schon lange. Außerdem spricht sich Kräutler für eine deutliche Besserstellung der Frau in der Kirche aus. VN-MM

Zur Person
Bischof Erwin Kräutler
Geboren 12. Juli 1939 in Koblach
Ausbildung Matura, Studium der Theologie und Philosophie in Salzburg, 1965 Priesterweihe
Laufbahn seit 1965 in Brasilien tätig, 1981 bis 2015 Bischof der Diözese Altamira-Xingu, 1992 mit dem Toni-Russ-Preis ausgezeichnet, Buchautor