Der Zeitungsmann mit dem Hang zur Lyrik

Aus sportlichem Ehrgeiz wurde der promovierte Jurist Hans Korbel Zeitungsausträger. Seine Erlebnisse verpackte der Rentner in Gedichte.
Batschuns Der promovierte Jurist Hans Korbel (84) kann heute nicht mehr nachvollziehen, warum er als Pensionist fast zwei Jahre lang Zeitungen ausgetragen hat. „Es wundert mich, dass ich das gemacht habe.“ Im Sommer 2007 fragte ihn die Frau, die ihm täglich die VN zustellte, ob er ihren Job übernehmen wolle. Warum er damals zusagte, erklärt er sich heute so: „Ich wollte mir beweisen, dass ich diesen Job machen kann, obwohl ich wusste, dass er kein Honiglecken ist.“ Nachsatz: „Das Doktorat kann nicht bedeuten, dass man sich zu gut ist für diesen Job.“ Des Geldes wegen hätte der pensionierte Jurist nicht Zeitungskolporteur werden müssen. Korbel, der einige Jahre die Vorarlberger Industriellenvereinigung leitete, kann von seiner Rente gut leben.
Im Oktober 2007 begann er, in seinem Wohnort Batschuns Zeitungen auszutragen. Hundert Haushalte mussten bedient werden – und das sechs Tage die Woche. „Ich musste um drei Uhr in der Früh aus den Federn. Dann habe ich mit dem Auto die Zeitungen zugestellt, bei jedem Wetter, auch bei Schnee. Gegen sieben Uhr war meine Tour in der Regel beendet.“ Er erinnert sich an Startschwierigkeiten. „Anfangs kannte ich mich noch nicht so aus. Deshalb war ich nicht immer pünktlich. Ein Mann regte sich auf, weil er die Zeitung erst um sieben Uhr bekam und nicht schon um sechs Uhr. Er sagte zu mir: ,Jetzt kannst du die Zeitung grad behalten.‘“ Hin und wieder beschwerten sich Abonnenten, „aber ich wurde auch zum Kaffee eingeladen“.
„Ich ging mit der zufriedenen Gewissheit, dass ich die Arbeit gut bewältigt hatte.“
Hans Korbel, ehemaliger Zeitungsausträger
Als seine Vorgängerin wieder einsteigen wollte, gab Korbel den Job im August 2009 an sie ab. „Ich wollte es nicht ewig machen.“ Der Doktor jur. ging mit der zufriedenen Gewissheit, dass er die Arbeit gut bewältigt hatte und mit einem großen Respekt für Zeitungsausträger: „Es ist ein harter Job.“
Langeweile kannte der vierfache Vater weder vor diesem Job noch danach. Die Familie, die Musik und das Gedichteschreiben füllen sein Leben aus. Korbels Vater, der 1943 im Krieg fiel, war Berufscellist. Dessen Musikalität erbte sein Sohn. „Ich habe 15 Jahre lang den Fatima-Chor in Bludenz geleitet.“ Korbel, der jeden Tag klassische Musik hört, singt aber auch gern, seit 15 Jahren im Basilika-Chor in Rankweil. Die Musik war und ist ihm Lebenselixier. „Ich wäre nicht mehr auf der Welt, wenn ich die Musik nicht gehabt hätte.“ Sie half ihm über die schweren Zeiten seines Lebens hinweg – als er an Krebs erkrankt war, sein Herz Schwierigkeiten machte und er nach mehreren Operationen an der Wirbelsäule vorübergehend auf einen Rollstuhl angewiesen war.
Das Dichten ist ihm Nahrung für die Seele
Nahrung für die Seele ist ihm aber auch das Dichten. Zu diesem Hobby fand er während des Studiums in Wien. „Ich habe an meine Familie und meine Freunde Briefe geschrieben. Während des Schreibens kam ich in einen Rhythmus rein. Mir drängten sich Reime auf und im Nu war aus dem Brief ein Gedicht geworden“, erzählt er, wie er zum Lyriker wurde. Nachfolgend ergaben sich immer wieder Anlässe wie zum Beispiel Geburtstage und Hochzeiten, bei denen er seine dichterische Begabung zum Ausdruck bringen konnte. „Ich habe nicht mit simplen Floskeln gratuliert, sondern in Form eines Gedichts.“ Seine Ansprüche an sich selbst sind – auch in Sachen Lyrik – hoch. „Das Gedicht muss sich flüssig lesen, wie gesprochene Sprache.“ Mittlerweile hat Korbel schon mehr als 500 Gedichte verfasst. Seine lyrischen Werke finden Anklang. „Für den ehemaligen Feldkircher Bürgermeister Wilfried Berchtold habe ich jahrelang die Faschingsreden geschrieben.“ Der 84-Jährige hofft, dass ihm die Gabe zum Dichten noch lange erhalten bleibt, denn das ist es, was der „Zeitungsmann“ am liebsten tut.