Und die Kinder?
Den Grünen wird auf Bundesebene zum Verhängnis, dass sie nach dem Prinzip „Das Beste aus beiden Welten“ mit den Türkisen zusammenarbeiten; oder besser gesagt, nicht zusammenarbeiten: Sie dürfen sich über Verkehrsministerin Leonore Gewessler wunschgemäß mit dem 1-2-3-Ticket und über Gesundheitsminister Rudolf Anschober mehr schlecht als recht mit der Impfstoff-Mangelwirtschaft herumschlagen, dafür hat die ÖVP bei allem anderen freie Hand. Natürlich ist auch sie mit Krisenfolgen beschäftigt; aber nicht nur, wie man bei den Abschiebungen diese Woche gesehen hat.
Das war eine parteipolitisch motivierte Inszenierung: Ein Sicherheitsapparat, der nicht in der Lage war, den Attentäter von Wien trotz deutlicher Warnungen aufzuhalten; der bei Corona-Demos mit Staatsgefährdern „sehr einfühlsam“ agiert (Zitat FPÖ-Chef Norbert Hofer); dieser Sicherheitsapparat schiebt Schulmädchen ab, als würde es sich um Terroristinnen handeln. Das entspricht dem türkisen Geschäftsmodell: Die Partei lebt vor allem davon, Symbolpolitik gegenüber Fremden zu betreiben.
Doch ist diese Abschiebung wirklich nötig gewesen? Bundespräsident Alexander Van der Bellen sagt Nein und wird prompt von ÖVP-Klubobmann August Wöginger ermahnt, Gerichtsentscheidungen zu respektieren.
Wenn das so einfach wäre: Klar ist, dass es sich bei den Abgeschobenen ganz offensichtlich um keine Flüchtlinge gehandelt hat; das ist mehrfach bestätigt. Zwischendurch reiste eine Familie sogar freiwillig aus, um es wenig später noch einmal zu versuchen. Bei alledem ist jedoch bezeichnend, wie lange sich diese Geschichte gezogen hat. Das ruft in Erinnerung, dass das Asyl- und Fremdenrecht mitsamt vieler Entscheidungen von katastrophaler Qualität ist. Wer beruft, hat gute Chancen, durchzukommen, jedenfalls aber extrem viel Zeit zu gewinnen. Verantwortlich dafür zeichnen bei Weitem nicht nur ÖVP und FPÖ, sondern auch die Sozialdemokraten, die in Österreich ja auch einmal regiert haben.
Dauer schafft Fakten
In der langen Zeit, die die Verfahren dauern, können, wie in den vorliegenden Fällen, Kinder auf die Welt kommen, die dann Deutsch lernen, zur Schule gehen und Freunde gewinnen, sich also bestens integrieren. Das geht so weit, dass eine Abschiebung nicht nur moralisch oder humanitär, sondern auch rechtlich schwierig wird: Die UN-Konvention über die Rechte des Kindes, die von Österreich anerkannt wird, besagt, dass das Wohl des Kindes immer Vorrang haben muss.
Die Frage ist, wie viel Gewicht man dieser Verpflichtung beimisst. Für die türkise ÖVP spielt sie nur eine untergeordnete Rolle. Siehe Moria bzw. ihre Weigerung, auch nur ein paar Kinder aus dem Dreck zu ziehen. Für die Grünen, die links davon stehen, ist das jedoch lebensgefährlich: Wenn in einer Regierung, der sie angehören, nicht nur Menschlichkeit, sondern auch Menschrechte keine Kategorie mehr sind, dann können sie einpacken und sich als schlichte Klimaschutzorganisation außerparlamentarisch neu versuchen.
„Das geht so weit, dass eine Abschiebung nicht nur moralisch oder humanitär, sondern auch rechtlich schwierig wird.“
Johannes Huber
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Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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