Vom Rollstuhl aus mutig in den Alltag

Wie Martina Hehle ihr Leben mit Handicap meistert.
Lochau Mit Anfang 20 wurde Angelika Hehle schwanger. In der 13. Woche stellte man fest, dass das Kind, das die Volksschullehrerin unter ihrem Herzen trug, körperlich schwer beeinträchtigt ist. Für die werdende Mutter war diese Nachricht kein Weltuntergang. „Ich war mir sicher, dass ich das schaffe“, entschied sich die Lochauerin damals bewusst für dieses Kind.
Heute, 17 Jahre später, bekräftigt die inzwischen 40-Jährige: „Es ist in Ordnung, dass Martina zu mir gekommen ist. Aus dem schwerbehinderten Mädchen ist eine tolle, junge Frau geworden, die alles machen kann, was sie will.“ Martina kam mit einem offenen Rücken zur Welt und ist vom Bauch abwärts gelähmt. Der Rollstuhl ist ihr ständiger Begleiter.
Für die Mutter war die Betreuung des körperlich beeinträchtigten Kindes zunächst ein 24-Stunden-Job. „Man ist Tag und Nacht im Einsatz.“ Die Tochter und die vielen Krisen, durch die sie im Lauf der Jahre mit ihr ging, haben Angelika Hehle stressresistent gemacht. „Man wächst gestärkt in die nächste Krise und hofft, dass diese auch wieder gut ausgeht.“
Die Behinderung machte viele Operationen notwendig: am Kopf, am Rücken, an den Füßen. Auch die Nierenschwäche, die im Zusammenhang mit der Querschnittslähmung steht, brachte Martina schon ein paar Mal ins Spital. Die Mutter erzählt: „2018 war sie zehn Wochen im Krankenhaus, weil ihre beiden Nieren versagt hatten.“ Beide wissen, dass früher oder später eine Nierentransplantation ansteht. Spitalsaufenthalte sind für Martina Normalität. „Es war noch nie anders.“
Die gesundheitlichen Krisen haben die junge Frau mental stark gemacht. „Ich habe ein heiteres Gemüt, vielleicht weil bisher immer alles gut ausgegangen ist.“ Wenn sie einmal traurig ist, vertraut Martina sich ihren Eltern an. „Reden hilft.“ Als Kind haderte sie nicht mit ihrem Schicksal. Da immer Rollräder ihre Füße ersetzten, weiß sie nicht, wie es ist, wenn man gehen kann. „Gott sei Dank ist das so. Sonst hätte ich ein Kopfproblem.“
Voller Optimismus
In der Pubertät grämte es sie aber, dass sie anders ist wie die anderen. „Du gehst dir selbst auf den Wecker. Und dann schauen andere dich auch noch blöd an.“ Damals wünschte sie sich nichts sehnlicher, als gehen zu können. Aber mittlerweile ist auch diese Krise überstanden. Heute blickt die hübsche junge Frau voller Optimismus in die Zukunft. Zunächst möchte sie die Handelsschule abschließen. „Dann hole ich die Matura nach, damit ich studieren kann.“ Nach der Ausbildung möchte sie einen Job ausüben, „bei dem ich unter Menschen komme“. Sie kann sich auch vorstellen, einmal Mutter zu werden.
Martina wird ihren Weg gehen. Davon ist nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Mutter überzeugt, die noch zwei weiteren Kindern das Leben schenkte. „Um Martina muss ich mir keine Sorgen machen, sie kämpft sich durch.“ Die 17-Jährige ist heute sehr selbstständig, hat – unter Mühen – gelernt, sich selbst zu pflegen und anzuziehen. Sie schafft es sogar allein aus der Badewanne. Oder mit dem Rollstuhl Treppen zu überwinden.
Sie will nicht auf andere Menschen angewiesen sein müssen. Schon als kleines Mädchen wollte Martina nicht abhängig sein. Bereits im Kindergartenalter ließ sie sich deshalb von ihrer Mama zeigen, wie man sich – alle zwei Stunden – selbst einen Blasenkatheter legt. Der Mutter ringt ihre gehandicapte Tochter Respekt ab. „Sie hat mir gezeigt, dass man alles erreichen kann.“ VN-Kum
