Frohe Aussichten

Die Tür der Erleichterung ist zumindest so weit aufgestoßen, dass all die Sehnsüchte entweichen können, die sich um den „day after“ ranken, jenes ominöse Datum, an dem alle Masken fallen werden und wir wieder Dinge tun dürfen, die wir schon fast verlernt haben. Ein seidiger Glanz tritt in die Augen jener, die ins Fabulieren geraten. Derb die einen, die sich schon hackenstramm an einer Bar lungern sehen. Edel die anderen, die bei einer Schale Kaffee die Menge fröhlicher Menschen beim Flanieren beobachten wollen. Manche sagen Café und meinen die Bar. Aber Bilder im Kopf hat ein jeder.
Ein paar Zeitgenossen freilich dürfte in der Ödnis ihres Hirnkastels geradezu ein namenloser Schrecken erwachsen. Was wird wohl aus ihnen, die während der pandemischen Begrenztheit zur Hochform ihrer Unzufriedenheit aufliefen? Die immer schon dagegen waren, die zu kurz kommen, quasi aus Prinzip? Was werden jene Unglücklichen tun, die vergangenen Sonntag noch versucht haben, nach US-amerikanischem Vorbild das Parlament zu erstürmen, jenes Hohe Haus am Ring, das seit Jahren saniert wird?
Polizisten haben ihnen eine herbe Enttäuschung erspart. Statt Abgeordneter, um sie zu züchtigen, hätten die Demonstrierer nämlich allenfalls die eben von einem Kran zurückgehievten 44 Attika-Figuren vorgefunden: 2,2 Meter hohe Skulpturen aus Carrara-Marmor, die allegorisch menschliche Tugenden, Wissenschaften und Berufe vorstellen. Sind wir doch froh, dass dieses Treffen beiden erspart geblieben ist.