Maries Aufsatz
In der Deutschstunde sollen die Mädchen einen Aufsatz „Mein persönliches Corona“ schreiben.
Maries Aufsatz:
Das war ich vor Corona, und das bin ich jetzt. Ich war fröhlich, alle sagten mir, wie fröhlich ich sei, und jetzt sagt mein Vater, Marie, du lachst ja nicht mehr, und meine Mutter sagt, wie schön war es doch Marie, als du noch gelacht hast. Mir ist das Fröhlichsein vergangen. So allein fühle ich mich ohne meine Freunde. Ich sitze im Home-Office und bemühe mich um gute Noten. Es ist anstrengend. Ich bin vorher richtig gern in die Schule gegangen, wir hatten viel Spaß. Am Morgen schaffe ich es kaum aus dem Bett. Ich laufe nur noch im Pyjama herum. Ich esse viel zu viel. Aus Langeweile. Telefonieren macht mir keine Freude, auch das Mail- und Briefeschreiben nicht mehr. Fernsehen ödet mich an. Scheint die Sonne, schließe ich meine Vorhänge. Ich spiele nicht mehr Gitarre, alles an mir fühlt sich so schwer an, am meisten mein Herz. Immer wieder wird gesagt, bald ist es vorbei. Ich kann es nicht mehr glauben. Das ist mein Jahr vor der Matura. Wie kann ich das alles schaffen? Meine Mutter sagt, ich lass dir ein Bad ein. Sie hat einen wohlriechenden Badezusatz in die Badewanne getan. Ich liege im Schaum und bleibe liegen, bis das Wasser kalt ist. Ich wasche mich gar nicht, liege nur im Schaum. Meine Mutter ruft, ob ich mir die Haare gewaschen habe, und ich rufe zurück, warum soll ich mir die Haare waschen, sieht mich eh niemand. Sie kommt ins Bad und wäscht mir die Haare, dabei versucht sie, mich aufzuheitern. Sie erzählt von den Schmetterlingen – sie arbeitet nämlich mit Schmetterlingen – aber es interessiert mich nicht. Sie erzählt von einer Kollegin, die ein Baby bekommen hat, ob ich wissen will, was für einen Namen es hat. Will ich nicht. Mein Vater bringt Zeitungen mit Bildern zum Ausschneiden.
„Ich sitze im Home-Office und bemühe mich um gute Noten. Es ist anstrengend.“
Die Schere ist so schwer. Meine Augen sind schwer, und es strengt mich allein das Anschauen an. Du darfst dich nicht gehen lassen, sagt meine Mutter, schau, wenn alles vorbei ist, wirst du deine Freunde am Donaukanal treffen. Da willst du doch schön sein. Jetzt musst du dich darauf vorbereiten. Du isst ja gar nichts, sagt mein Vater, ich hab extra deine Lieblingsspeise gekocht. Papa, sage ich, ich habe gar keine Lieblingsspeise mehr. Eine Woche schon habe ich nicht mehr in den Spiegel geschaut. Ich denke, wenn ich hineinschaue, sieht mich eine an, die ich noch nie gesehen habe und die ich, sollte ich sie kennenlernen, nicht ausstehen kann.
Das ist Maries Schulaufsatz zum Thema: „Mein persönliches Corona“.
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