Der (Überlebens-)Künstler
Konrad Robausch (56) hat auf der Straße gelebt.
Feldkirch Nach der Matura hätte Konrad (56) gern die Kunstakademie in Wien besucht. „Ich habe immer gerne gemalt und gezeichnet und wollte mein Hobby zum Beruf machen.“ An Talent hätte es nicht gemangelt, wohl aber an Geld. „Das Studium wäre teuer gewesen. Das konnte sich meine geschiedene Mutter nicht leisten.“ In der Folge ließ sich Konrad an der Pädak zum Lehrer ausbilden. Seine Karriere als Pädagoge war beendet, bevor sie richtig begonnen hatte. „Ich habe ein halbes Jahr lang schwer erziehbare Kinder am Jagdberg unterrichtet.“ Die Arbeit gefiel ihm. „Ich kam gut aus mit den Kindern.“
„Er schlug den Schüler halb tot“
Aber dann passierte etwas, das seinen Lebensweg in eine andere Richtung lenkte. „Ein Kollege schlug einen Schüler halbtot. Der Bub schrie vor Schmerzen.“ Konrad konnte nicht tatenlos zusehen. „Ich bin auf den Kollegen losgegangen und habe ihn verdroschen.“ Dieser Vorfall beendete Konrads Lehrer-Dasein. Er ging dann nach Liechtenstein und arbeitete dort als Anstreicher. „Das war mein Ding.“ Gelernt hatte er dieses Handwerk als Schüler. „Ich habe in den Ferien immer in einem Malerbetrieb gearbeitet.“ Als Anstreicher führte er ein Tramper-Dasein. „Du tingelst von Baustelle zu Baustelle.“ An seinem 30. Geburtstag baute er unter Alkoholeinfluss einen Unfall. „Ich bin mit meinem Auto in eine Hauswand geknallt.“ Sein Wagen war völlig demoliert. Er hingegen trug keine Schramme davon. „Durch den Unfall habe ich das nackte Leben zu schätzen gelernt.“ Der Unfall war eine Zäsur in seinem Leben. „Danach wollte ich intensiver leben.“ Er driftete immer mehr in eine unstete Lebensweise ab. Jetzt hielt er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Seine Wohnverhältnisse wurden immer prekärer. Einmal hatte er ein Zimmer, einmal nicht. Der Feldkircher lernte, auf der Straße zu überleben. Unter anderem schlief er auf Baustellen. „Dort lässt es sich gut übernachten.“ Als Decke diente ihm Isolier- oder Verpackungsmaterial. „Manche halbfertigen Gebäude sind sogar schon beheizt.“ Damit ihn die Bauarbeiter in der Früh nicht entdeckten, stellte er sich den Wecker auf 4.30 Uhr. Auch in Scheunen oder im Wald nächtigte er oft. „Es ist herrlich, unter einem Baum zu schlafen.“ In den warmen Monaten störte sich der freiheitsliebende Mann nicht daran, dass er keine Bleibe hatte, im Gegenteil. „Im Sommer ist es schön.“ Selbst Regentage grämten ihn nicht. Dann suchte er Schutz unter einer Brücke oder unter einem Baum. Im Winter hingegen musste er hart im Nehmen sein. „Die Kälte ist das Ärgste. Sie kriecht dir in die Knochen.“ Aber er ersann für sich eine Überlebensstrategie: „Du läufst in der Nacht hin und her, bis es Tag und wärmer wird.“ In diesen langen, eiskalten Nächten musste er oft an die Soldaten denken, die in Russland erfroren. Konrad gab sich nicht dem Trugschluss hin, dass Alkohol ihn wärmt. „Saufen ist genau das Falsche. Man darf sich nicht betrinken.“ Untertags wärmte er sich am Bahnhof auf oder im Caritas-Café. Aber selbst als er auf der Straße lebte, fand er das Leben noch lebenswert. Irgendwann hatte er aber genug vom Daseinskampf. Weil er „keinen Bock mehr aufs Kämpfen“ hatte, sei er zum Messie geworden, sagt er. Das letzte Zimmer, das er bewohnt hatte, hatte der unstete Mann in eine Müllhalde verwandelt. Seit 1. Februar lebt Konrad in einer Wohnung, die ihm die Caritas vermittelt hat. Seit der existenzielle Druck weg ist, geht es mit ihm wieder aufwärts. „Jetzt macht es mehr Sinn, Ordnung zu halten.“ Sein neu gefasster Lebensmut zeigt sich darin, dass er Pläne schmiedet. „Ich könnte mir vorstellen, wieder als Pädagoge zu arbeiten, vielleicht in einem Lerncafé oder in einer beschützenden Werkstätte.“
„Hatte ein abenteuerliches Leben“
Konrad glaubt, dass das Schicksal noch etwas mit ihm vorhat. „Sonst wäre ich bei dem Autounfall nicht ungeschoren davongekommen.“ Er hat kein Problem damit, dass er viele Jahre am Rand der Gesellschaft gelebt hat. „Ich hatte ein abenteuerliches Leben. Mein Leben war sicher erlebnisreicher als das von einem Menschen, der 40 Jahre hinter derselben Maschine gestanden ist.“ Konrad bereut so gut wie nichts. Nur manchmal findet er es schade, „dass aus mir kein Künstler wurde“.
„Die Kälte ist das Ärgste. Sie kriecht dir in die Knochen.“