Im mobilen Wohnzimmer Probleme angehen

Markus Schwarzl will die Jugendarbeit im Großen Walsertal einführen.
Nenzing Unter der Coronapandemie leiden alle. Doch besonders die Jugendlichen trifft es hart, müssen sie doch so gut es geht soziale Kontakte vermeiden. Noch dazu kommen Zukunftsängste, die aufgrund mangelnder Berufsorientierung und Praktika geschürt werden. Die angespannte familiäre Situation bei einigen Jugendlichen macht es nicht besser. In dieser schwierigen Zeit hat Markus Schwarzl Anfang Jänner die Leitung der JugendKulturArbeit Walgau (kurz: JKAW) übernommen, um, wie er sagt, eine neue Herausforderung anzunehmen. Im März starten er und sein Team die offene, mobile Jugendarbeit im Großen Walsertal.
Momentan besteht das Team der JKAW, das in der Eugen-Getzner-Straße 7 in Nenzing angesiedelt ist, noch aus vier Personen, doch schon bald kommen zwei Männer hinzu, die je zu 50 Prozent ein eigenes Projekt betreuen. Während sich der eine um die Einführung der mobilen Jugendarbeit im Großen Walsertal kümmert, widmet sich der andere dem EU-geförderten LEADER-Projekt Skaterplatz in Nüziders, den Zweierteams zweimal pro Woche aufsuchen, um mit den Jugendlichen dort zu sprechen.
Mit dem Bus auf Tour
Jugendräume gibt es bereits in Nenzing, Röns, Beschling und Schlins. Solche Jugendräume sind zwar vorerst nicht im Großen Walsertal mit seinen Ortschaften Raggal, Blons, Fontanella, Sonntag und St. Gerold geplant, jedoch soll dort eine mobile Jugendarbeit angeboten werden. Wie das aussehen soll, verrät Markus Schwarzl gegenüber der VN: „Wir starten mit den Begehungen im März und schauen, wo Jugendtreffpunkte sind“, erklärt Schwarzl. Bereits nächste Woche fährt das Team mit einem Bus durch die Ortschaften des Großen Walsertals, um eben solche Plätze vorab auszukundschaften. Den umgebauten Transporter, in dem man gemütlich auf einer Couch wie eben in einem Wohnzimmer sitzen kann, bekommt die JKAW von der Ojam Montafon ausgeliehen. Die JKAW ist darüber hinaus im regelmäßigen Austausch mit den Bürgermeistern und der Regio im Großen Walsertal und stellt sich auch in den dortigen Schulen vor. Auch über soziale Medien wirbt die JKAW für ihre mobile Jugendarbeit, mit der sie unter anderem hinausfinden will, wie man das Große Walsertal für die Jugendlichen attraktiver gestalten kann.
Handlungsbedarf erkennen
Schwarzl und sein Team wollen dafür zweimal in der Woche, bevorzugt mittwochs und samstags, für je vier Stunden mit den Jugendlichen ins Gespräch kommen, um zu erfahren, welche Bedürfnisse die Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren haben, wo sie Unterstützung benötigen und wo Handlungsbedarf besteht. Dabei sprechen die Sozialpädagogen Themen wie Beruf und Berufsorientierung, Schule, Umgang mit Gewalt, Konflikte und (Drogen-)Konsum an. Denn Drogen, allen voran Cannabis, das zum Teil mit gefährlichen Substanzen gestreckt wird, seien bei den Jugendlichen weit verbreitet, sagt Schwarzl. „Cannabis wird oft verharmlost.“ Mit Workshops und Präventionsmaßnahmen, aber auch in Einzelgesprächen draußen oder in passenden Räumlichkeiten vor Ort will das Team der JKAW die Jugendlichen für Themen wie Sucht und Gewalt sensibilisieren. Die Frage stelle sich immer: „Wo können wir präventiv ansetzen?“ Das A und O dabei sei Vertrauen. „Die Beziehungsarbeit ist am Anfang ganz wichtig“, erklärt der 43-Jährige. Er weiß zum Beispiel, dass momentan viele Jugendliche von häuslicher Gewalt betroffen sind. „Die häusliche Gewalt hat durch Corona stark zugenommen“, sagt Schwarzl. Es gebe vermehrt Spannungen in Familien, die sich aufbauen und dann eskalieren. Deswegen seien Jugendliche froh, wenn sie rauskommen und sich mit Freunden treffen können. In Fällen von häuslicher Gewalt rät die JKAW, sich an die entsprechenden Beratungsstellen zu wenden.
Ein Fluch und ein Segen
Doch nicht alle Jugendliche leiden gleichermaßen unter der momentanen Situation. Einige Jugendliche würden „eher gechillt“ an die Sache rangehen und sich wenig Gedanken um die Zukunft machen, meint Schwarzl, der vor seiner neuen Stelle in der Offenen Jugendarbeit in Götzis gearbeitet hat und gelernter Heilerziehungspfleger ist. Das Homeschooling zum Beispiel ist für die einen ein Fluch, für die anderen ein Segen. Während sich einige durch den Distanzunterricht ihre Zeit viel besser einteilen und somit effektiver lernen können, würden sich wiederum andere Jugendliche mit dem Lernen von daheim aus schwertun. Zuletzt hat Markus Schwarzl von einem Jungen gehört, dass Corona ihm zwei Jahre seines Lebens genommen hätte. „Warum zwei Jahre?“, wollte Schwarzl von ihm wissen. Er antwortete ihm: „Corona ist ja noch lange nicht vorbei.“ VN-JUN