Was Dr. Reinhard Spöttl als Berater des Infektionsteams alles erlebt

Die Menschen sind der Einschränkungen überdrüssig. Nicht jeder nimmt Absonderung gelassen hin.
Dornbirn Dr. Reinhard Spöttl ist in Vorarlberger Ärztekreisen ein Begriff. Er war bis zu seiner Pensionierung einer der bekanntesten Orthopäden im Land. Ärztlich aktiv bleibt der Dornbirner auch im Ruhestand, freilich in einer ganz anderen Funktion und aufgrund der speziellen Situation. „Ich habe die Coronaentwicklung immer genau verfolgt und darüber diskutiert. Irgendwann dachte ich mir: Du sollst nicht nur g’scheit‘ reden, sondern auch etwas tun.“ Als dann im vergangenen Oktober in der Ärztezeitung ein Aufruf an pensionierte Ärzte und Krankenschwestern erging, sich doch für den ärztlichen Beratungsdienst des Infektionsteams zu melden, zögerte Spöttl nicht lange.
Ein Teamplayer
Eigentlich wäre der erfahrene Facharzt bereit gewesen, sich ganz ehrenamtlich und unbezahlt für 20 Prozent einer normalen Arbeitszeit in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. „Doch dann wurde ich gefragt, mehr zu tun. Das tat ich dann auch. Vom Land werden wir dafür bezahlt.“
Aus dem selbstständigen Facharzt und Soloakteur ist so ein Mannschaftsspieler geworden, der sich als Mitglied des Infektionsteams wohlfühlt und neue Erfahrungen macht. Deren gibt es für den sportlichen Fast-Siebziger einige.
Überzeugungsarbeit
„Wir rufen positiv Getestete an und sprechen mit ihnen über etwaige Beschwerden, checken ihre Daten. Das Aufwendigste ist jedoch, deren Kontaktpersonen zu eruieren. Das ist dann wie eine Detektivarbeit“, berichtet Spöttl. Viele Klienten, so Spöttl, haben Hemmungen, die Kontaktpersonen zu nennen. „Sie fühlen sich wie Denunzianten. Wir müssen sie dann davon überzeugen, dass sie das nicht sind, niemandem etwas Schlimmes tun und dass wir ihre Informationen für die Rekonstruktion der Infektionskette brauchen.“
Nicht einfach sei es oft mit Personen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. „Wenn wir dann Namen niederschreiben, dann wird beim Buchstabieren halt aus E wie Emil ein E wie Erdogan, oder aus einem I wie Ida ein I wie Istanbul“, schmunzelt Spöttl.
„Aus E wie Emil kann beim Buchstabieren dann ein E wie Erdogan werden.“
Dr. Reinhard Spöttl, Berater Infektionsteam
Ruhig und freundlich
Der frühere Facharzt schafft mit seiner ruhigen und freundlichen Art zumeist einen guten Zugang zu seinen ursprünglich wenig erfreuten Kunden. „Natürlich gibt es gelegentlich auch böse Reaktionen. Einmal sagte mir eine junge Frau: Rufen Sie A … schon wieder an. Es handelte sich dabei um eine Mutter mit mehreren Kindern in Absonderung. Sie war sehr angespannt. Ich konnte ihr nicht böse sein.“ Wenig Verständnis für die 14-tägige Absonderung hätten oft K-1-Personen, die völlig gesund und auch nicht positiv sind. Einfach aufgelegt habe ihm aber noch niemand, erzählt der Arzt. Insgesamt spürt der Mediziner, dass die Menschen der Maßnahmen überdrüssig werden. „Das kann ich natürlich nachvollziehen.“ Viel Hoffnung auf ein schnelles Ende der Krise können Dr. Spöttl und seine Mitstreiter den Menschen allerdings nicht machen. Sein Vertrag mit dem Land für die Beratungstätigkeit im Infektionsteam dauert jedenfalls noch bis Juni.