Eine Rarität in der Kirche Haselstauden

In „Mariä Heimsuchung“ hängt seit heute das Fastentuch.
Dornbirn Ab dem heutigen Aschermittwoch verhüllt das vom Dornbirner Künstler Gerhard Winkler gestaltete Fastentuch den Altar in der Pfarrkirche „Zu Unserer Lieben Frau Mariä Heimsuchung“ in Haselstauden. Das künstlerisch wertvolle Werk ist mit Ölfarbe auf einem Baumwollrips gemalt, hat eine Gesamtgröße von 462 mal 231 Zentimeter und ist in 18 Einzelbilder in der Größe 77 Mal 77 Zentimeter untereilt, die durch ihre imposante Farbgebung bestechen. Das Fastentuch folgt inhaltlich dem gängigen Schema des 16. Jahrhunderts, stellt auf anschauliche Art den Leidensweg Christi dar und beeindruckt durch seinen Detailreichtum. Hervorzuheben ist die starke Aussagekraft der Bilder sowie das gute Gespür des Künstlers für den Raum.
Mehr als ein alter Brauch
Die christliche Fastenzeit von Aschermittwoch bis Karsamstag ist für die Gläubigen eine Zeit der Entsagung, Buße und Besinnung zur Einstimmung auf das Osterfest. Im 11. Jahrhundert wird erstmals von dem Brauch berichtet, in der Fastenzeit Altäre, Reliquien, Bilder, ja ganze Altarräume mit großen Tüchern zu verdecken. Sie wurden im Chor aufgehängt, um der Gemeinde den Blick auf das Allerheiligste zu verwehren. Diese Textilien nannte man Fastentücher (Velum quadragesimale), aber auch Hungertücher.
„Die Verhüllung war für die mittelalterlichen Gläubigen eine Bußübung. Sie verzichteten auf den Augenschein der Heiligen Messe. Zur körperlichen kam die eucharistische Abstinenz. Die Redewendung „am Hungertuch nagen“ für „ärmlich leben“ geht zumindest indirekt auf den Fastentuch-Gebrauch zurück“, erläutert Winkler diese in Vergessenheit geratene Gepflogenheit. Die volkstümlichen Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament dienten zur Glaubensunterweisung der Gemeindemitglieder. Wie die synoptischen Evangelien berichten, zeriss im Augenblick des Todes Jesu der Vorhang im Tempel entzwei. Das vor dem Altar hängende Tuch symbolisierte den Vorhang im Jerusalemer Tempel. Es wurde am Mittwoch in der Karwoche, am Karfreitag oder vor der Ostervigil abgenommen, um die Befreiung aus Sünde und Tod durch den Kreuzestod Jesu anzudeuten.
Rarität in Vorarlberg
Einst in Europa weit verbreitet, sind Fastentücher unter anderem durch den reformatorischen Bildersturm selten geworden. Erhalten geblieben sind einige dieser Zeugnisse mittelalterlicher Frömmigkeit nur noch in Tirol, im Münsterland und in Teilen der katholischen Schweiz.
Gerade im Alpenraum war die Tradition der Fastentücher weit verbreitet. Oft bestanden sie aus mehreren horizontalen miteinander vernähten Streifen, auf denen religiöse Szenen wiedergegeben wurden. In der Neuzeit wurde diese Tradition erst durch die Aktion „Misereor“ 1976 wiederbelebt. So bedeutet das kunstvolle Fastentuch in Haselstauden eine Rarität. bet
„Die Verhüllung war für die mittelalterlichen Gläubigen eine Bußübung.“
