Zwölf Stunden lang auf den Angriff gewartet

Unterhalb der Mondspitze simulierte das Hochgebirgs-Jägerbataillon 23 einen Kampfeinsatz.
Bürserberg Mit dem Quad geht es in Richtung Mondspitze. Unterhalb des Gipfels stehen Soldaten mit Maschinengewehren am Wegesrand. Wiederum andere liegen im Schnee, die Hand am Abzug, den „Feind“ im Visier. Weiter oben beobachten Scharfschützen perfekt getarnt unter einem weißen Netz seit zwölf Stunden den Waffenumschlagplatz, eine Holzhütte in der Nähe des Lifts. Sie bleiben bis zum Schluss unerkannt und schießen nur im Notfall, aber dann ist auch jeder Schuss ein Treffer. Noch weiter oberhalb bewacht die Relais-Gruppe die Funkantenne und stellt eine stabile Funkverbindung zu der Kompanie und den einzelnen Gruppen sicher. Sie wäre nachts das erste Angriffsziel der Gegner, um die Funkverbindung zu kappen.
Zwischenzeitlich macht sich die Stoßgruppe mit 40 Mann auf den Weg zum Waffenarsenal, durchdringt dabei per Seilrutsche und auf Skiern unwegsames, steiles Gelände. „Die Kunst ist, immer dort zu erscheinen, wo es der Gegner nicht vermutet“, sagt Oberstleutnant Michael Köck. Alle sind in Alarmbereitschaft. Dann, gegen Mittag, steigt am Zielobjekt Nebel auf (eine Simulation für Granatenwürfe), die Flachfeuergruppe lädt Munition nach. Auf ein Kommando gibt sie Schüsse ab, als Ablenkung, denn die Soldaten zielen nicht direkt auf den Feind, sondern geben nur der Stoßgruppe Deckung, die unten gerade dabei ist, den Feind zu neutralisieren. Neutralisieren heißt nicht töten, sondern ihn – unter Umständen auch mit Anwendung von Gewalt – festnehmen. Dann, nach zwölf Stunden, einer Nacht in einer selbstgebauten Schneehöhle, in der vier bis fünf Männer Platz haben, und nach langem Warten ist der Einsatz, die Abschlussübung des Hochgebirgs-Jägerbataillons 23 beendet.
Sechs Monate dauert die Ausbildung zum Hochgebirgsjäger, in der man unter anderem auch die Selbst- und Kameradenhilfe, den Transport im Hochgebirge und die Zusammenarbeit mit Hubschraubern lernt. Nach einer dreimonatigen Grundausbildung spezialisieren sich die 180 Rekruten auf ihren gewählten Einsatzbereich und dessen spezifische Waffengattung. Fünf bis zehn Grundwehrdiener bleiben im Schnitt nach den sechs Monaten dem Bataillon erhalten.
Am Donnerstag wurde im Gebirge eine „hybride Bedrohung durch eine extremistische Gruppierung oder einen anderen Staat“ simuliert, erklärt Köck. Bei diesem Szenario im Rahmen der militärischen Landesverteidigung werden Kernkompetenzen des infanteristischen Kampfes im extremen Gelände geübt. Terroristische Gruppierungen, die sich nach einem Attentat im urbanen Raum ins Gebirge zurückgezogen haben, sollen durch einen Angriff seitens der Hochgebirgsjäger neutralisiert werden.
Jeder kennt seine Aufgabe. Bereits in der Nacht zuvor nahmen die Grundwehrdiener ihre Stellungen ein, hievten ihren 50 Kilogramm schweren Rucksack inklusive Kampfausrüstung zu ihrem Stützpunkt. Bevor sie sich aber hinlegen konnten, mussten sie erst einmal vier Stunden lang ihr Biwak aus Schnee selbst bauen. Auch das lernt man in der Ausbildung zum Hochgebirgsjäger, nämlich neben dem reinen Feuerkampf auch das Leben, Überleben und Bewegen in teils schwierigem Gelände in den Bergen. Damit dabei aber niemand zu Schaden kommt, sichert ein Erkundungstrupp mit Heeresbergführern vorher die Gegend ab, macht Lagerplätze ausfindig und baut zum Beispiel die Seilrutsche.
Auf die Kernaufgabe konzentrieren
Dass man so viel Zeit für die Ausübung der Kernaufgabe hat, sei ungewöhnlich, sagt Michael Köck. Normalerweise werde das Bataillon für Grenzkontrollen am Brenner eingesetzt. Glücklicherweise wurde es aber bis jetzt noch nicht dafür eingezogen. Köck erklärt, dass man in Österreich wieder mehr auf die Kernkompetenz der einzelnen Bataillone achten wolle. Im Anschluss an den Grundwehrdienst sei es dann den Rekruten freigestellt, ob sie noch weitere drei Monate an den Grenzen kontrollieren möchten – bei einem Verdienst von 3000 Euro netto finden sich aber immer Freiwillige für den Job. „Wir sind immer auf der Suche nach neuen Leuten, die sportlich, jung, leistungswillig, physisch und psychisch belastbar sind“, sagt der Kommandant des Hochgebirgs-Jägerbataillons 23. Bedanken will er sich vor allem bei den Brandner Bergbahnen für die Lifttransporte, bei der Agrargemeinschaft Nenzing, die das Übungsareal zur Verfügung stellt, bei den Jagdaufsehern und bei der Gemeinde Bürserberg. „Wir üben sehr viel hier und die Zusammenarbeit ist hervorragend.“ VN-JUN


