„Habe Angst, dass Otto an gebrochenem Herzen stirbt“

Evi Spirk bangt um ihren Ehemann, der in einem Pflegeheim lebt. Die Abschottung setzt ihm so zu, dass er nicht mehr leben möchte.
Vandans Otto (77) ist ihre große Liebe. Evi Spirk (68) heiratete den Schlosser im Jahr 2003. Nach der Heirat genoss das Ehepaar die Zweisamkeit. Die beiden gingen miteinander auf Reisen, werkelten zusammen im Garten oder bastelten Geburtstagsgeschenke für ihre Lieben. Als Ottos Enkelin Elisa im Jahr 2013 zur Welt kam, kam noch mehr Freude in das Leben der Spirks. Elisa verbrachte viele Stunden bei Evi und Otto. „Für uns ist Elisa wie ein eigenes Kind“, macht Evi klar, wie sehr Otto und sie dieses kleine Mädchen lieben.

Das Leben fühlte sich gut an für das Pensionisten-Ehepaar. Aber dann erkrankte Otto an Parkinson. Sein Zustand verschlechterte sich kontinuierlich. Als er nur mehr mit der Hilfe eines Rollators gehen konnte, ließ seine Frau einen Treppenlift einbauen und die Türschwellen im Haus abflachen. Die Krankheit blieb aber nicht stehen, sie brachte Otto in den Rollstuhl. Das stellte seine Frau, die ihn mehrere Jahre allein pflegte, vor ein großes Problem: „Wir können im Haus keine 24-Stunden-Pflegerin unterbringen, weil wir zu wenig Platz haben. Außerdem ist das Bad so klein, dass es nicht behindertengerecht umgebaut werden kann.“
„Die Wegsperrung tat ihm seelisch nicht gut“
Im Februar 2019 ließ Evi die Familie zusammenkommen. „Wir sahen keine andere Möglichkeit, als Otto in ein Heim zu geben.“ Die pensionierte Volksschullehrerin trug diese Entscheidung schweren Herzens mit. „Es tat mir sehr weh. Und es tut mir jetzt noch weh.“ Im März 2019 bezog Otto ein Zimmer in einem Pflegeheim im Oberland. Weil beide nicht ohne einander sein wollten, besuchte ihn Evi jeden Tag. „Ich habe mit meinem Mann Ausflüge und Spaziergänge gemacht, Verwandte und Freunde besucht, bin mit ihm Essen gegangen, habe ihn auf unsere Terrasse geholt und geschaut, dass er Elisa, unser Mäuschen, mindestens drei Mal in der Woche sieht.“ Evi ist es ein Herzensanliegen, „die Zeit, die uns noch bleibt, gemeinsam zu verbringen“.
Aber dann kam die Pandemie und mit ihr der erste Lockdown. „Zweieinhalb Monate durfte ich nicht zu Otto ins Heim. Die Wegsperrung tat ihm seelisch nicht gut. Aber dadurch, dass wir jeden Tag telefoniert haben, konnten wir diese Zeit irgendwie überbrücken.“ Anfang Mai kam es zu Lockerungen. „Da habe ich mein Schatzl heimgeholt und zusammen mit der Familie Ostern nachgefeiert. Es war wunderbar. Otto freute sich gewaltig. Elisa und er lagen sich in den Armen und weinten.“
„Er flehte mich schon mehrmals an, ihn aus dem Gefängnis rauszuholen.“
Evi Spirk, Ehefrau von Otto
Die Lockerung im Sommer sei für Ottos körperliche und seelische Verfassung ein Segen gewesen. „Doch ab November wurden Ottos Stimmungsschwankungen schlimmer, da die Besuchszeiten wieder eingeschränkt wurden. Jetzt durfte ich nur mehr einmal in der Woche für eine halbe Stunde zu Besuch kommen und mit ihm nicht mehr das Heim verlassen.“ Das verstand ihr Mann nicht. Er fühlte sich von seinen Lieben im Stich gelassen und eingesperrt. „Er flehte mich bereits mehrmals an, ihn aus dem Gefängnis rauszuholen.“ Evi steigen Tränen in die Augen. Sie fürchtet, dass ihr Mann – trotz der redlichen Bemühungen des Heimpersonals – vereinsamt und an gebrochenem Herzen stirbt. „Bei meinem letzten Besuch meinte er, dass er die Abschottung nicht mehr lange aushalte und so nicht mehr weiterleben mag.“