Ein Impfpass als Schritt in die Freiheit?

Diskussion um Freiheiten für Immune und Geimpfte.
Schwarzach Personen, die eine Coronainfektion überstanden haben, dürfen sechs Monate lang ohne Coronatest zum Friseur. Für Geimpfte gilt das nicht. In Israel ist es anders: Wer sich impfen lässt, erhält einen Pass, mit dem er an vielen Bereichen des Alltags teilnehmen kann. Auch in Österreich ist die Diskussion entbrannt, wie mit der steigenden Immunität umgegangen werden soll. Einer der Ersten, der forderte, dass Immunität zu mehr Freiheit führen soll, ist der Vorarlberger David Stadelmann. Der Ökonom der Uni Bayreuth freut sich, dass nun auch Bundeskanzler Sebastian Kurz den Grünen Pass ins Spiel bringt. Stadelmann kritisiert aber: „Diese Diskussion kommt ein Jahr zu spät.“
Von Israel könne man sich einiges abschauen. „Israel hat Genesene nicht prioritär geimpft und war dadurch schneller.“ Dazu sei allerdings nötig, Genesene ordentlich zu erfassen. „Wir haben immer gesagt, dass man sie dokumentieren und zertifizieren soll.“ Das beinhaltet auch systematische Antikörpertests. Bisher werden nur jene zertifiziert, die offiziell als infiziert galten. „Die volle Zertifizierung hätte schon lange erfolgen müssen. Schon um die Immunität in der Bevölkerung besser verstehen zu können.“ Die Frage der Bürgerrechte könne man davon trennen. „Es wäre nicht nur individuell eine Erleichterung, sondern auch gesamtgesellschaftlich, wenn man weiß, wie viele immun sind.“
In Israel hat jeder Bürger die Chance bekommen, sich impfen zu lassen. Österreich ist weit davon entfernt. In Vorarlberg werden am Wochenende wieder nur 6500 Impfungen verteilt. Stadelmann plädiert dennoch für eine Rückkehr zur Freiheit für Geimpfte. „Wir müssen weg von der Privilegiendiskussion. Es ist kein Privileg, wenn man sich frei bewegen kann, es ist die Rückkehr zur Normalität.“ Bald sollte das für alle möglich sein, entweder durch eine Impfung, durch eine Genesung oder durch Tests. Der Neideffekt sei nicht nur negativ. „Das inspiriert den Staat auch ein bisschen, möglichst schnell zu impfen.“
Mit der App ins Theater
wien Kein Land impft so schnell gegen Corona wie Israel. An die 4,5 Millionen Menschen erhielten bereits ihre erste Teildosis, mehr als drei Millionen die zweite Impfung. Damit liegt der Staat mit seinen rund 9,3 Millionen Einwohnern weltweit an erster Stelle. Nun ist Israel erneut vorgeprescht. Geimpfte und Genesene bekommen mit einem Grünen Pass – etwa via Handyapp – mehr Freiheiten zurück. Sie können in Hotels übernachten, Fitnessstudios, Theater und Sportereignisse besuchen.
Die EU-Staaten wollen an einem gemeinsamen Ansatz für ein europäisches Impfzertifikat arbeiten. “Wir werden auf das Thema zurückkommen”, betonten die EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag nach einer Videokonferenz. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erklärte, es “gibt eine breite europäische Front der Unterstützung für die Idee eines Grünen Passes”, also eines europäischen Zertifikats mit Erleichterungen für Geimpfte, Getestete oder Genesene.
Der EU-weite “Grüne Pass” wäre laut Kurz eine digitale Lösung am Handy. Kurz will allenfalls auch einen nationalen Alleingang. “Ich gehe davon aus dass dieses Projekt jedenfalls im Frühling umgesetzt werden muss, wenn nicht in ganz Europa dann national, mit entsprechenden Abkommen mit anderen Staaten, wo ähnliches gilt”, sagte der Kanzler.
Die 27 EU-Staaten näherten sich in ihren Vorstellungen immer weiter an, betonte hingegen EU-Ratschef Charles Michel. Man sei sich einig, die Arbeit an dem gegenseitig anerkannten Impfnachweis fortzusetzen.
Als zögerlich bei der Frage des “Grünen Passes” gelten Deutschland, Frankreich und Luxemburg. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel geht davon aus, dass der EU-Impfpass bis zum Sommer entwickelt werden kann. “Die politische Vorgabe ist, dass man das in den nächsten Monaten erreicht, ich habe ja von drei Monaten gesprochen”, sagte die Merkel nach dem EU-Videogipfel laut der Deutschen Presse-Agentur.
Ähnlich äußerte sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Vorbereitungen würden mindestens etwa drei Monate dauern. Und das System solle neutral sein gegenüber der Frage, wie ein solcher Impfpass genutzt werde. Dabei geht es darum, ob er zum Beispiel zu einem einfacheren Reisen genutzt werden kann. Die Entscheidung liege bei den Regierungen der EU-Staaten, sagte von der Leyen.
Tourismusministerin Elisabeth Köstinger und Staatssekretär Magnus Brunner (beide ÖVP) lobten das Vorhaben. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) forderte indes eine europäische Lösung. Zudem müssten noch offene Fragen geklärt werden. Kritik kam von SPÖ und FPÖ. Auch in der EU gibt es Vorbehalte, etwa aus Deutschland und Frankreich.
Text: Michael Prock, Magdalena Raos, Matthias Rauch

Es ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits gibt es nun einmal Impfungen, die es braucht, wenn man in gewisse Länder reisen will. Andererseits muss man respektieren, wenn sich manche nicht impfen lassen wollen – auch weil sie es als ein Experiment sehen. Es spaltet die Gesellschaft. Sonja Amann, 63, Hohenems

Ich bin für die Impfung. Ich habe Kinder, da muss man doppelt und dreifach vorsichtig sein. Im letzten Sommer sah man, wie es ohne Impfungen laufen würde. Man hätte aber einfach einen gehörigen Lockdown machen müssen und den richtig, statt dieses ständige Auf-Zu, das alle nur noch nervt. Yasin Ramazanoglu, 45, Dornbirn

Ich will meine Freiheit wieder. Wenn ein Impfpass Reisen ermöglicht, soll es so sein. Wir sitzen nun hier am Brunnen auf einen Kaffee statt in einem Café. Wenn der Caféhausbesuch durch einen Impfpass wieder möglich wird, hätte ich dafür auch Verständnis. Natürlich wäre es mir lieber, wenn die Impfung freiwillig bleibt. Bicki Gülcan, 42, Dornbirn
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.