Möwen siedeln sich am Koblacher Rheindamm an

Ausstellung von May-Britt Nyberg Chromy im ZollART.
Koblach Dutzende Seemöwen gibt es derzeit im Innen- und Außenbereich des direkt am Koblacher Rheindamm gelegenen ehemaligen Zollhäuschens zu sehen. Sie sind aus Papiermaschee, gefertigt von May-Britt Nyberg Chromy, einer Feldkircherin mit dänischen Wurzeln. Im Rahmen ihrer Ausstellung „Konferenz der Möwen“ hat die Künstlerin die Vögel im ZollART Koblach, einem Schauraum der KünstlerInnen-Vereinigung Kunstvorarlberg, versammelt. 55 unterschiedliche Seemöwenarten gibt es laut der World Bird List; etliche davon hat Nyberg Chromy skulptural in Lebensgröße umgesetzt. Das Spektrum der aus Drahtskeletten und Papiermaschee gestalteten Vögel reicht von der Lachmöwe über die Schwarzkopfmöwe und Silbermöwe bis hin zur Heringsmöwe und Zwergmöwe.
Konferenz als Reverenz an Heimat
Mit dieser „Konferenz der Möwen“ spielt die Künstlerin unter anderem auf den Klimawandel an, der beispielsweise bewirkt, dass Pflanzen- und Tierarten plötzlich und unvermutet in Lebensräumen wahrgenommen werden, in denen sie bislang überhaupt noch nicht in Erscheinung getreten sind. Oder auf die Umweltverschmutzung, besonders der Meere – wird doch immer häufiger in den Mägen und Ausscheidungen der Meeresvögel Mikroplastik gefunden. Blickt der Betrachter durch die Glasfenster ins Innere des ZollART-Häuschens, so wird er neben den vielen Möwen, die den Raum besetzen, auch vielerlei Plastikmüll erkennen, den die Künstlerin gesammelt und im Raum assembliert hat.
Möwen sind fast weltweit verbreitet, am artenreichsten in den gemäßigten und kalten Klimazonen beider Erdhalbkugeln. Sie sind auch sehr lautstark, was häufig noch durch ihr geselliges Auftreten verstärkt wird. Ihre Schreie werden oft gereiht ausgestoßen. Möwengeschrei gibt es denn auch in Koblach zu hören. Radfahrer und Fußgeher auf dem Rheindamm werden schon von Weitem auf dieses Geplärr aufmerksam, das eigentlich gar nicht zu dieser Gegend passt. Es stammt vom Soundcluster, der Teil der Ausstellung ist und für den die Künstlerin eigens Möwen in der dänischen Küstenstadt Kalundborg aufgenommen hat. Nyberg Chromy ist nämlich am Kalundborg-Fjord aufgewachsen. So ist die „Konferenz der Möwen“ auch als eine Art Reverenz an ihre ursprüngliche Heimat Dänemark zu sehen. Möwen sind für die Künstlerin gleichsam ein Synonym für Heimat und Herkunft.
Möwen spiegeln Menschen wider
Auch Humor und Ironie soll bei dieser Installation zum Tragen kommen. Wenn sich etwa menschliches Verhalten im Verhalten dieses Federviehs widerspiegelt. Möwen und Menschen haben schließlich sehr vieles gemeinsam. Beide sind Jäger, Sammler und Räuber, sind flatterhaft, machen mit ihrem Geschrei viel Lärm. Möwen reservieren sich wie Menschen ihre Plätze und behaupten diese. Auch Mobbing ist bei den Möwen an der Tagesordnung. Alle hacken auf dem schon Unterlegenen herum. Es gibt die Alphamöwen und die armen Untertanen. Es gibt die Möwen, die sich nur im Verbund stark fühlen, und es gibt introvertierte Möwen, die sich zurückziehen und für sich sein wollen. Bei Menschen und Möwen gleichermaßen ausgeprägt ist der große Futterneid. Keine Möwe gönnt der anderen etwas. Hat jemand etwas, gibt es gleich großes Geschrei. Jeder möchte es auch haben. Allerdings kennen die Möwen noch keine Kreditkarten, mit denen sie sich in ihr finanzielles Unglück stürzen könnten. Möwen können auch sehr frech sein und Touristen Fischbrötchen oder Pommes aus der Tüte oder der Hand schnappen. In manchen Orten an der Ostsee oder auch auf Sylt ist es daher bei Strafe verboten, Möwen zu füttern, um sie nicht zu solchen Futterangriffen zu verleiten.
Das Zollamt und die Künstlerin
In den Räumlichkeiten des alten Zollamts werden seit Mitte August 2020 ganzjährig Arbeiten von Künstlern des Vereins Kunstvorarlberg präsentiert. Das Zollhäuschen liegt am Schnittpunkt des Rheindamm-Radwegs an einem der Grenzübergänge von Vorarlberg in die Schweiz. Der Ausstellungsraum ist nicht betretbar, aber rundum jederzeit einsehbar und daher als Plattform für Kunst im öffentlichen Raum prädestiniert.
May-Britt Nyberg Chromy wurde 1965 im dänischen Herning geboren. Sie lebt und arbeitet seit 1993 als freischaffende Künstlerin in Feldkirch. Ihr Werk ist breit angelegt: Neben Papiermascheeobjekten spielen Acryl-
malerei bzw. Collagen aus Malerei, Fotografie, Alltagsgegenständen und
Textilien eine große Rolle. Vor allem nehmen aber Drucktechniken wie Linol- und Holzschnitte in ihrem Schaffen breiten Raum ein.