Unzertrennlich: Ziemlich beste Freunde

Michael (27) hatte nie Freunde. Als Hündchen Nele in sein Leben trat, gewann er einen Freund.
Bludenz Das Hündchen sitzt auf Michaels Schoß und lässt sich von ihm streicheln. Seit neun Jahren sind Michael Gstrein (27) und Nele unzertrennlich. Michael hat keinen menschlichen Freund, aber er hat Nele. Bevor sie in sein Leben kam, wusste er nicht, was es heißt, jemanden zum Freund zu haben. Jetzt weiß er es. Am liebsten würde er Nele den ganzen Tag herumtragen und sie andauernd abküssen. So sehr liebt er das niedliche Hündchen. Michaels Eltern Ruth und Peter schafften den Vierbeiner an, „damit Michael nicht mehr so allein ist“.
Der jüngste Sohn der Gstreins ist gehandicapt. Er kam gesund zur Welt. Im Alter von fünf Monaten erhielt das Bübchen eine Mehrfachimpfung. „Von da weg war das Kind krank“, erzählt seine Mutter (62). Lange habe man nicht gewusst, woran Michael leide. „Er hatte Fieberkrämpfe, Zuckungen und Anfälle. Als er drei war, fing man an, ihm anti-epileptische Medikamente zu geben. Die Anfälle hatte er aber trotzdem weiterhin.“
Ganze Energie ins Kind gesteckt
Ärzte in der Innsbrucker Klinik prognostizierten der Mutter nichts Gutes. Sie teilten Ruth mit, dass ihr Bub nie sprechen, gehen und eine Schule besuchen wird können. „Ich dachte mir: Das kann nicht wahr sein.‘“ Als die geschockte Mutter die Klinik verließ, sah sie, dass sich ein Sonnenstrahl durch die dunkelgraue Wolkendecke hindurchgekämpft hatte. „Das war für mich die Antwort auf meine Verzweiflung: ‚So schlimm wird es nicht.‘“ Sie fasste Mut und schwor sich: „Ich kämpfe mich mit meinem Kind gemeinsam ins Leben.“ Ab da steckte sie ihre ganze Energie in das Kind – mit dem Ergebnis, dass Michael heute gehen, sprechen, lesen, schreiben und sogar mit dem Handy umgehen kann.
„Michael stand im Abseits und schaute mit traurigen Augen den spielenden Kindern zu.“
Ruth Gstrein, Michaels Mutter
Die engagierte Mutter konnte ihrem Sohn vieles vermitteln und vieles für ihn tun. Aber Freunde konnte sie für ihn nicht gewinnen. Die Kinder und Jugendlichen in der Siedlung, in der Michael groß wurde, grenzten ihn aus, weil er manches nicht so gut konnte wie sie, zum Beispiel Ball spielen. Sie bezogen ihn nie in ihr Spiel ein. „Ich sah, wie die Gruppe miteinander spielte. Michael stand im Abseits und schaute mit traurigen Augen den spielenden Kindern zu.“ Ihn so zu sehen, tat seiner Mama von Herzen weh. Schlimm genug, dass ihr Sohn mehrmals in der Woche von epileptischen Anfällen heimgesucht wird. Aber dass er auch noch gemieden wurde, brach ihr fast das Herz.
Doch mit dem Hund kam Freude in Michaels Leben. Der junge Mann, der drei Tage in der Gärtnerei des Sunnahofs in Tufers arbeitet, hängt oft mit Nele ab. Ruth hat beobachtet, dass sie nicht von seiner Seite weicht, vor allem dann nicht, wenn es ihm schlecht geht. Wenn sich bei ihrem Sohn ein Anfall anbahnt, schlägt der Hund Alarm. „20 Sekunden vorher fängt Nele an zu bellen. Sie hört es, wenn Michael anders atmet.“ Seit Nele im Haus ist, kann Ruth nachts beruhigt schlafen, „weil ich darauf vertrauen kann, dass sie mich weckt, wenn Michael einen Anfall bekommt“.