Wirklich jedes Menschenleben zählt

Humanity Memorial Group gedachte in Schruns der zahlreichen verstorbenen Flüchtenden.
Schruns In ehrendem Gedenken an all jene Flüchtenden, die zu Tausenden auf ihrem Weg nach Europa ihr Leben lassen mussten, versammelten sich am Sonntagnachmittag Dutzende Menschen im Schrunser Münster. Fünf Minuten legte die große Münsterglocke ihre mächtige stählerne Stimme über das Herz des Montafons. Eine Einladung, ein „Weckruf“, innezuhalten und in christlicher Nächstenliebe für die Opfer zu beten.
„Wir beobachten eine veränderte Realität. Vertreibung betrifft aktuell nicht nur viel mehr Menschen, sondern sie ist auch kein kurzfristiges und vorübergehendes Phänomen mehr“, zitierte die Humanity Memorial Group beim Totengedenken den UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi. „Wir brauchen eine grundlegend neue und positivere Haltung gegenüber allen, die fliehen, gepaart mit einem viel entschlosseneren Bestreben, Konflikte zu lösen, die jahrelang andauern und die Ursache dieses immensen Leidens sind.“
Zahl fast verdoppelt
Weltweit hat sich die Zahl der Vertriebenen binnen der letzten zehn Jahre nahezu verdoppelt. Rund 80 Millionen Menschen sind heute Flüchtlinge, Binnenvertriebene oder Staatenlose. Das heißt: einer von 100 Menschen, was einem Prozent der Weltbevölkerung entspricht! „In Bezug auf Schruns hieße dies, dass von den rund 3900 Einwohnern 23 Erwachsene und 16 Kinder auf der Flucht sind“, berichtete Elisabeth Gruber, die das Gedenken zusammen mit Karin Sander-Pichler, Christa Engstler und Andreas Postner gestaltet hatte. Bei 40 Prozent aller Vertriebenen auf der ganzen Erde handelt es sich um Kinder unter 18 Jahren. „4,2 Millionen Menschen unter den 80 Millionen sind Asylsuchende. In Österreich wurden laut Statistik des Bundesministeriums für Inneres bis vergangenen November 12.558 Asylanträge gestellt“, sagte Sander-Pichler.
40.555 Todesfälle
Kirchlich begleitet wurde das berührende Totengedenken von Münsterpfarrer Hans Tinkhauser. Während der Feier wurde eine „List of deaths“ im Mittelgang des Gotteshauses aufgelegt: 40.555 dokumentierte Todesfälle von Flüchtlingen, die auf ihrer Flucht Richtung „Festung Europa“ gestorben sind. Gesammelt wird die Liste von UNITED, dem Europäischen Netzwerk gegen Nationalismus, Rassismus und Faschismus. Davon las die offene Gruppe exemplarisch Einzelschicksale vor – alle vom Februar des Vorjahres. Dieser kleine Ausschnitt aus der gesamten Liste wurde anschließend neben dem Gedenkstein aufgehängt, der in der Neuen Kapelle des Schrunser Friedhofes niedergelegt wurde. Hubert Sander ließ die Versammlung dort mit einem handgeschlagenen Schweizer Percussionsinstrument, dem „Hang“, musikalisch ausklingen. SCO