Run auf die Gymnasien

An den AHS werden Kapazitätsgrenzen zum Teil gesprengt, einige Mittelschulen leiden.
Bregenz Bernhard Posch (58), Direktor der Mittelschule Bregenz-Stadt, ist zerknirscht. „Es wird immer schlimmer. Ich kann dieses Jahr nur noch zwei erste Klassen eröffnen, eine Musikklasse und eine Regelklasse. Das ist der negative Höhepunkt einer dreijährigen Entwicklung. Von damals zwölf Klassen an der Schule sind wir mittlerweile auf neun Klassen gesunken.“
Laut Posch hat das mit einem heuer besonders stark ausgeprägten Run auf die Gymnasien zu tun. Dass die auch für Volksschulen ausgerufene Milde bei der Benotung mit einer Flut von Vorzugszeugnissen für Schulabgänger zu tun hat, will Posch nicht dementieren. Er richtet einen flammenden Appell an die Politik: „Sie muss jetzt reagieren. Gymnasien immer mehr erste Klassen zuzugestehen, hätte gravierende gesellschaftliche Folgen.“
Statt 100 nur 41
Mit bemerkenswerten Zahlen, die den fortschreitenden Aderlass an ihrer Bildungsstätte belegen, kann auch Sabine Müller (51), Direktorin der MS Lustenau-Kirchdorf aufwarten. „Wir verfügen über eine Aufnahmekapazität von rund 100 Schülerinnen und Schülern für die ersten Klassen. Heuer haben sich nur 41 bei uns angemeldet. Letztes Jahr waren es noch 56, im Jahr davor 52. Für drei erste Klassen brauche ich mindestens 51 Kinder.“ Müller hofft, dass die jetzige Situation den besonderen Umständen geschuldet ist. Ihr Vorschlag für den Stopp der Ausblutung von Mittelschulen im Umfeld von Gymnasien: „Eine Art Aufnahmetest für die AHS, welcher allgemeine Kompetenzen überprüft.“
„Bedenken“
Seine „Bedenken“ über die ausgerufene Losung der milden Benotung und deren Folgen für die Sekundarstufe äußert einmal mehr auch Müllers Schulleiterkollege von der MS Rheindorf, Gerd Neururer (58). „Ich mache auf dieses Problem schon seit Jahren aufmerksam. Die Gymnasien fordern immer wieder zusätzliche erste Klassen als Ausnahmen. Doch was, wenn diese ‚Ausnahmen‘ bleiben? Ich habe zudem Bedenken, dass sich Volksschulen mit strengerer Benotung immer mehr jenen angleichen, die das milder handhaben.“ Seine Schule blieb vom vorherrschenden Trend heuer verschont. „Wir können im Herbst wieder drei erste Klassen eröffnen und sind darüber sehr froh. Vielleicht war das deswegen möglich, weil wir durch die gelungene Bausanierung und durch unser Angebot unsere Attraktivität steigern konnten.“
200 wollen in den Schoren
An mangelnder Anziehungskraft leidet definitiv nicht das BRG Dornbirn Schoren. „Wir verzeichnen heuer auffallend viele Anmeldungen für erste Klassen. 200 waren es insgesamt, für maximal 112 haben wir in vier ersten Klassen Platz. Würde man uns eine fünfte Klasse zugestehen, wären es 140“, berichtet Direktor Reinhard Sepp. Dabei sei der betroffene Jahrgang ein zahlenmäßig schwacher. Dass die vielen guten Zeugnisse ein Grund für die hohe Zahl an Anmeldungen sind, glaubt Sepp durchaus. „Aber wir haben auch mit einem von Schülern produzierten Video gerade in Coronazeiten prima Eigenwerbung gemacht“, ist der Schulleiter überzeugt.
Die besseren VS-Zeugnisse
Auffallend viele gute Volksschulabschlusszeugnisse flatterten auch am BG Bludenz ein. „Sie waren insgesamt um eine Note besser als die Zeugnisse vor einem Jahr“, erzählt Direktor Gerald Fenkart (52). Mit 127 Anmeldungen für die fünf ersten Klassen lag die Zahl der Bewerber zwar auch im oberen Bereich, „doch die Kapazitätsgrenze liegt bei 135“, betont Fenkart. „Wir werden wie jedes Jahr fünf erste Klassen eröffnen können.“
„Die Politik muss reagieren. Sonst gibt es gravierende Folgen für die Gesellschaft.“