Ein Leben in Todesangst

Schwer lungenkranke Menschen wurden bisher bei der Impfung ignoriert.
LUSTENAU, SATTEINS, FELDKIRCH Der VN-Bericht mit dem Präsidenten der Österrichischen und Vorarlberger Lungenunion, Günter Rummer (67), hat sehr viele Reaktionen ausgelöst. Mehrere Lungengeschädigte, die verzweifelt auf eine Impfung warten, haben sich in der Redaktion gemeldet. Sie fühlen sich von den Gesundheitsverantwortlichen vernachlässigt und von den Impfdränglern verhöhnt. Ihr Unmut ist groß.
Endlich der Anruf
Herbert Riedmann (79) ist einer von ihnen. Die Ärzte hatten den Lustenauer vor fast zehn Jahren schon aufgegeben. Damals kollabierte der starke Raucher. Die Spezialisten diagnostizierten bei ihm COPD Stufe vier und eine Lungenfibrose. „In den ersten drei Jahren nach der Diagnose war ich 18 Mal im Krankenhaus“, erzählt Riedmann. Der Lustenauer sprang dem Tod von der Schaufel, hat sich im Rahmen des Möglichen halbwegs erholt. 16 von 24 Stunden am Tag braucht er dennoch Sauerstoffzufuhr. Dass er mit Stand Freitag, 5. März, noch immer nicht geimpft war, machte ihn wütend. „Es ist unglaublich. Wie kann man uns beim Imfplan nur so vernachlässigen. Und gleichzeitig schnappen sich Hunderte Gesunde in diesem Land problemlos eine Impfung. Ich würde einen dieser Impfdrängler gerne einmal einladen, mit mir einen Tag zu verbringen, mit dieser ständigen Angst und der Ungewissheit.“ Gerne hätte ihm seine gesunde Frau Maria, die das Glück hat, genau 80 zu sein, ihre Impfung geschenkt. „Aber das geht ja nicht“, weiß die Gattin.
Kaum ist der VN-Besuch weg, meldet sich Riedmann telefonisch. „Stellt euch vor. Genau jetzt kam ein Telefonanruf vom Impfteam herein. Ich erhalte am Samstag die Impfung. Trotzdem bleibe ich bei meinen Vorwürfen gegen die Impfdrängler und die Gesundheitsverantwortlichen.“
Keine Priorisierung
In Satteins grollt Norbert Malin (69) am Stubentisch. Seine Frau Christine (70) ist im Krankenhaus: COPD Stufe vier. Ihre Lunge arbeitet nur noch zu 18 Prozent. Sie hatte vor kurzem wieder einen Erstickungsanfall und musste in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal in die Pulmologie nach Hohenems eingeliefert werden. „Es ist ein Witz, dass meine Frau noch keine Impfung bekommen hat. Wäre sie in besserem Zustand in einem Pflegheim, hätte sie schon eine erhalten“, ist Malin erzürnt. Sofort nach Start der Vormerkfrist hat er Christine angemeldet. Er rief bei den Gesundheitsbehörden an. „Man sagte mir, Christine genieße höchste Priorisierung. Ich würde bald zurückgerufen. Bis jetzt hat sich niemand gemeldet.“
Malin ist auf die Rückkehr seiner Gattin vorbereitet. Der große Sauerstoffkanister steht bereit, mit dem zehn Meter langen Schlauch, den er Ex-Polizist konstruiert hat. „Damit sie sich in der Wohnung überall hin bewegen kann, ohne vom Sauerstoffgerät weg zu müssen.“ Dieses braucht die langjährige Krankenschwester rund um die Uhr. Mit einer Impfung könnten die Malins endlich wieder ihr Haus für ihre Feunde und Nachbarn öffnen.“ Seit einem Jahr sind sie dort eingebunkert. Steckt sich Christine mit Covid an, stirbt sie.
Werner will sich gut fühlen
In Feldkirch hat sich Werner Böhler in seiner Wohnung verschanzt. Einkaufen traut er sich noch, sonst kaum noch was. Gerade kommt die frisch getestete Friseurin Yvonne Gapp herein und schneidet dem bald 80-jährigen COPD-Patienten die Haare. „Ich werde erst im Mai 80. Pech für mich. Deswegen gibt es für mich noch keine Impfung“ klagt er. Natürlich braucht auch er die meiste Zeit Sauerstoff. Vor allem in der Nacht. „Ich schlafe nur mit dem Sauerstoffschlauch in der Nase. Ich liege die ganze Nacht auf dem Rücken.“ Böhlers Lunge arbeitet derzeit noch zu 42 Prozent. Auch er ist wütend auf jene, die für die Impfverteilung verantwortlich sind. Er kann es kaum erwarten, bis es bei ihm so weit ist. „Ich würde mich viel besser fühlen. Es soll mir nicht gehen wie meinem Schwager. Der ist an Covid verstorben.“
Es ist ein Witz, dass meine Frau Christine noch keine Impfung bekommen hat.“
„Ich würde mich besser fühlen, wenn ich endlich eine Impfung erhalten würde.“

