Von Eiden und Gelöbnissen

Zur Entlassung zweier Lehrer, die sich Tests und Maskenpflicht verweigert und auch alle Kompromissangebote abgelehnt hatten, verwies ein Gewerkschafter kürzlich auf deren Dienstgelöbnis. Ein Eid sei ein Eid und müsse gehalten werden. Tatsächlich erklären Landeslehrer vor Dienstantritt, dass sie „die Gesetze der Republik Österreich befolgen“ und alle mit ihrem „Amte verbundenen Pflichten treu und gewissenhaft erfüllen“ werden. Es handelt sich dabei aber, wie bei allen öffentlich Bediensteten, streng genommen um keinen Eid, sondern um ein Gelöbnis.
Im Gegensatz zur Schweiz oder Deutschland, wo Amtseide noch vorkommen, wird in Österreich seit Langem angelobt. Der Eid ist bei uns – sieht man einmal von Gerichtsverfahren ab – so gut wie ausgestorben. Das hat sich auch im Sprachgebrauch niedergeschlagen: Die „Angelobung“ ist in den Nachbarländern so gut wie unbekannt, man spricht dort von „Vereidigung“.
Der Unterschied ist eher ein moralischer als ein praktischer. Ein Eid wird oft als religiöser Schwur angesehen. Die Eidesleistung ist den Angehörigen mancher Religionsgruppen, wie zum Beispiel den Zeugen Jehovas oder den Quäkern, daher verboten. Selbst wenn es für sie meist Ausnahmen gibt, geht man solchen Problemen mit dem weniger religiös aufgeladenen Gelöbnis aus dem Weg.
Bundespräsident Wilhelm Miklas hatte dennoch Gewissensbisse, weil er sich 1934 dem Verfassungsputsch von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß nicht in den Weg gestellt hatte. Schließlich hatte er bei Amtsantritt gelobt, dass er „die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten“ würde. In dieser Situation wandte er sich an Papst Pius XI., der ihm mitfühlend antwortete: Es sei zwar „richtig, dass der Herr Bundespräsident die Verfassung beschworen“ habe, allerdings sei die Verfassung „für das Land da, nicht umgekehrt“. Den Bruch der Verfassung schätzte der Papst als geringeres Übel ein. Aber auch er wusste nicht, dass in Österreich nur angelobt wird: „Noch viel mehr als die Verfassung hat der Herr Bundespräsident durch Eidschwur seinen Willen bekräftigt, immer zum Besten und nie zum Schaden des Landes handeln zu wollen. Dieser Schwur steht höher als der andere, der auf formelle Einhaltung der Verfassung geht.“
Der Papst erteilte dem Putsch damit zwar seinen Segen, war von der moralischen Erhabenheit seiner Ausführungen aber anscheinend nicht völlig überzeugt, forderte er den Bundespräsidenten doch auf, das Schreiben „nach Gebrauch zu vernichten“. Gelöbnisse, die man nicht halten will, sollte man auch heute noch am besten gar nicht erst leisten.
Moritz Moser ist Journalist in und aus Feldkirch. Twitter: @moser_at