Dreimal Weihnachten in einem
Mit einem Bekannten kam ich unlängst ins Gespräch über ein Haus in Wien, in dem ich vor langer Zeit gewohnt hatte. Ich war jung, hatte kein Geld und zog deshalb bei meinem damaligen Freund ein, der mit seiner Schwester in einer Wohnung in einem heruntergekommen Biedermeierhaus lebte. Das Haus wurde längst abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, war aber Ende der Achtziger Jahre legendär, weil es darin mehrere WGs und deshalb viele Partys gab, und später, als die Metzgerei aus dem Erdgeschoss umgezogen war, einen Ausstellungsraum mit noch mehr Partys. Die meisten, die ich kenne, waren irgendwann in diesem Haus, auch der Bekannte, der mir erzählte, dass er kurz vor dem Abriss noch eins der Bassena-Becken fladern wollte, sich dann aber doch nicht traute.
„Wenn man mal eine ordentliche Dusche brauchte, ging man ins öffentliche Tröpferlbad in der Hermanngasse oder zu Freunden.“
Das wäre insofern lustig gewesen, als es sich vielleicht um exakt jenes Bassena-Becken gehandelt hätte, an dem ich während meiner Zeit in diesem Haus öfter duschte. Die Wohnung war nämlich außerordentlich billig, sie hatte Zimmer, Küche, Kabinett und einen Kastanienbaum vor dem Küchenfenster, aber sie hatte kein WC, kein Badezimmer und keinen Wasseranschluss. Wasser holte man vom Waschbecken im Flur, der berühmten Bassena, die es früher in allen Wiener Häusern gab, wo wir auch uns und unsere Wäsche wuschen. Wenn man mal eine ordentliche Dusche brauchte, ging man ins öffentliche Tröpferlbad in der Hermanngasse oder zu Freunden. Als wir dann in eine Wohnung mit fließendem Wasser und einer richtigen Badewanne zogen, war das wie dreimal Weihnachten und eine Steuerrückerstattung in einem.
So ähnlich gings mir vor ein paar Tagen wieder, als ich in meinem kleinen Hüsle am Land zum ersten Mal ein großes Glas frisches, klares Wasser direkt aus dem Wasserhahn in der Küche trank. Die meiste Zeit vergisst man, was das für ein Privileg ist, sauberes Trinkwasser aus der Leitung – außer man hatte es mehr als zwölf Jahre lang nicht. Seit ich das Hüsle gekauft hatte, kam aus dem Hahn nur gelbes, schlecht riechendes Wasser aus dem verschmutzten Hausbrunnen, das man nur als Brauchwasser nutzen konnte. Mein Trinkwasser holte ich mit dem Schubkarren in großen Kanistern von einem Nachbarn, der einen tieferen, sauberen Brunnen hat. Aber weil ich in unserem Ort nicht die einzige mit diesem Problem war, gründeten wir letztes Jahr eine Wassergenossenschaft, ließen eine Leitung graben und beziehen unser Wasser nun aus dem Reservoir eines anderen Ortes, der genug davon hat. Frisches, klares, sauberes, kaltes Wasser, das jetzt mit ordentlich Druck direkt aus der Leitung zischt: sprudelnde Herrlichkeit, reines Glück.
Doris Knecht
doris.knecht@vn.at
Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.
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